Lesen Sie hier die Fortsetzung der Geschichte zu meinem therapeutischen Leben

 

Nach dem Studium und dem zeitgleichen Abschied von Dr. Türk, trat ich im Dezember 1987 meinen Dienst als Stabsarzt bei der Bundeswehr an. Wie ein roter Faden zieht sich durch mein Leben, wenn immer möglich, Reglementierungen jeder Art auf ein Minimum zu reduzieren. In Pyrmont habe ich den Segen einer freien Heilkunde erlebt. Dr. Türk führte eine reine Privatpraxis und bestimmte zum großen Teil die therapeutischen Regeln selbst. Dieses Empfinden von Freiheit setzte sich in meinem Bewusstsein fest. Und so war mir klar, nach dem Studium nicht im Kassensystem arbeiten zu wollen. Doch sich sofort ohne Erfahrung frei niederzulassen stand nicht im Drehbuch. So habe ich mich für den Staatsdienst entschieden.

Eine geregelte Arbeitszeit bei adäquater Besoldung, relativ viel Urlaub und erträgliche Arbeitsintensität, all das sollte mir genügend Zeit offerieren, um viele andere Dinge weiter zu studieren, wie etwa die Akupunktur. Dies alles schien mir die Bundeswehr zu offerieren. Für ein praktisches, zahnärztliches Arbeiten gab es so gut wie keine Einschränkungen. Das Gefühl von Therapiefreiheit, einer Maxime die ich beim Eintritt in das Studium mit dem (zahn-)ärztlichen Berufsstand verbunden hatte, konnte sich auf diese Art und Weise für mich noch in großen Teilen entwickeln.

 

Mein erstes Jahr verbrachte ich auf der zahnärztlichen Station eines Krankenhaus, wo ich versuchte, bei meinen Patienten, die oftmals stationär in den unterschiedlichsten Abteilungen aufgenommen waren, die erworbenen Akupunktur Kenntnisse unmittelbar nach den Kursen anzuwenden. Einige von ihnen behandelte ich also nicht primär zahnärztlich. So gab es schon nach kurzer Zeit Beschwerden der anderen Fachkollegen beim Chefarzt, ich würde mich inkompetent in ihre Behandlung einmischen. Obwohl wir viele verblüffende, spontane Heilerfolge hatten - „Ich liege hier nun schon drei Wochen, doch so gut wie nach dieser einen Akupunktur Behandlung habe ich mich in der ganzen Zeit trotz Einnahme vieler Medikamente nicht gefühlt“, sagte jemand - machte mir der Chefarzt zur Auflage, nur noch rein zahnmedizinisch zu behandeln, so wie ich es an der Hochschule gelernt hätte.

Den Sinn dieser Reglementierung konnte ich damals nicht verstehen und innerlich spürte ich schon so etwas wie Wut und Verzweiflung. Erst heute weiß ich, geprägt durch mannigfache Erfahrungen, dass die unsichtbare Welt nichts nimmt, ohne mehr dafür zu geben. So löste diese Einschränkung in mir einen starken Impuls aus. Wenn ich das, was ich gerne machen möchte hier nicht machen darf, muss ich mir eben außerhalb der Bundeswehr privat etwas schaffen, wo ich so behandeln darf, wie ich es mir vorstelle. Deshalb habe ich mich nach Räumen umgesehen, für eine eigene, private, ganzheitlich orientierte Zahnarztpraxis, die ich parallel neben der Bundeswehr in meiner Freizeit führen wollte.

 

Nicht lange dauerte es, bis sich mir Möglichkeit bot, alles Nötige in die Wege zu leiten. In einer Zeitungsanzeige wurde an meinem Wohnort die untere Etage eines alten Hauses angeboten, noch gänzlich unrenoviert und zugänglich nur über einen Schutthaufen vor der Eingangstür. Dennoch spürte ich ganz tief in mir: Hier sollst du hin. In der Vorstellung sah ich schon die fertige Praxis mit der kompletten Raumaufteilung. So fragte ich den Besitzer, wann ich einziehen könne. Er war sichtlich überrascht, denn das Objekt war in einem solch schlechten Zustand, dass er es mir bezüglich meiner Belange eigentlich gar nicht hatte zeigen wollen.

Zudem kam es bei der zweiten Besichtigung mit mir, einem Bekannten und dem Vermieter zu einer denkwürdigen Begebenheit. Wir kletterten zu dritt über die Dreckhaufen in die Etage und mein Bekannter ging voran, um sich die weiteren Räumlichkeiten anzuschauen. Plötzlich hörten wir ein Geräusch, wie das Rutschen von Erde und sahen eine Staubwolke aus dem Raum kommen, in dem er verschwunden war. Er war nicht mehr zu sehen, aber kurze Zeit später trat er über die Kellertreppe wieder hervor. Sich vom Staub und Dreck befreiend sagte er: „Von diesem Objekt würde ich die Finger lassen.“ Er war durch den morschen Fußboden in den Keller gerutscht.

 

Ein halbes Jahr später begann ich trotzdem dort meine privatzahnärztliche Tätigkeit. Die definitiven Kosten des Einrichtens überstiegen die Kalkulation um ein vielfaches, sodass sich eine finanzielle Lücke auftat. Ich sprach mit meinem Bekannten und er sagte: „Wie viel benötigst Du“? Die Summe stellte er spontan und ganz unkompliziert, mit freundschaftlichen Konditionen zur Verfügung. Meine Mutter, mit der ich seit dem Tod meines Vaters zusammen lebte, wollte die Eröffnung durch eine Zeitungsanzeige bekannt machen. Ich antwortete ihr: „Das steht dir frei, aber die unsichtbare Welt braucht keine Reklame. Sie hat mir diese Praxis geschenkt und sie wird auch für Patienten sorgen.“

 Dennoch erschien die Anzeige und meine Mutter sagte: „Ich werde nun Telefondienst machen, denn wenn jemand anruft und einen Termin haben will, sollte das Telefon besetzt sein.“ Wir lebten ja noch in einer Zeit ohne Handys. Und tagsüber arbeitete ich ja bei den Soldaten.

 So verbrachte sie die ersten 14 Tage vor- und nachmittags in der Praxis, ohne das ein Anruf einging. Weitere 14 Tage kam sie nur vormittags, ohne Anruf. Enttäuscht und ein wenig verzweifelt sagte sie: „Ich werde jetzt erst einmal zu Hause bleiben, da ist viel Arbeit liegen geblieben.“

 

 In diesen ersten vier Wochen, ich war mittlerweile vom Krankenhaus an einen kleinen Luftwaffenstandort in der Nähe versetzt worden, führte ich noch eine recht aufwendige Behandlung bei einer Patientin durch. Sie war die Frau eines ärztlichen Kollegen aus dem Bundeswehrkrankenhaus und ich hatte die Arbeit bereits dort begonnen. Nun waren wir Ende Mai 1989 im finalen Termin, als es in der Praxis klingelte. Ich schaute die junge Dame an, die damals während der zahnärztlichen Behandlungen bei mir famulierte und sagte: „Schau nach, wer etwas von uns will.“

Sie kam zurück und sagte: „Da ist jemand mit Zahnschmerzen.“ Ich fragte: „Hast Du ihm gesagt, dass wir nur privat behandeln?“ „Ja“, antwortete sie, „er sagt, er sei Privatpatient, sieht aber nicht so aus.“

Nur 5 Minuten musste unser erster Patient warten. Er sah relativ ungepflegt aus, mit Jeans, Turnschuhen und verwaschenem Hemd gekleidet, unrasiert und mit fettigen Haaren. Das Zeitfenster für ihn hatte die unsichtbare Welt ideal gestaltet. So kam er quasi sofort an die Reihe.

 

Einen wohlhabenden, heimischen Geschäftsmann plagten Zahnschmerzen. An diesem Mittwochnachmittag waren die anderen Zahnarztkollegen nicht verfügbar, nur mich konnte er konsultieren. Einer seiner Mitarbeiter, der wenige Meter von der Praxis entfernt wohnte, hatte das Praxisschild gelesen und ihm am Mittwoch davon berichtet. Im Nachhinein weiß ich, dass er die Regeln gerne selber bestimmt. Später sagte er zu mir: „Ich bin zahnärztlich ein `Hasenfuß´. Hätte ich damals länger warten müssen, wäre ich wohl wieder gegangen.“

So passte es auch, dass akut nur eine kleine Behandlung nötig war. Wir vereinbarten für den nächsten Tag einen Kontrolltermin und er erschien pünktlich. Die Beschwerden waren subjektiv deutlich gebessert. Jahrelang hatte er vorher keinen Zahnarzt konsultiert, so machte ich noch eine Gesamtuntersuchung mit einigen Therapievorschlägen und er antwortete: „Gut, ich werde Sie ausprobieren und wenn ich zufrieden bin, Ihnen so viel Patienten schicken, dass Sie erst einmal zu tun haben.“

 

Das war der Beginn oder Start meiner praktischen Tätigkeit. Der Patient kam wie ein Bote aus der unsichtbaren Welt. Selbstverständlich war er sich dessen nicht bewusst, aber ich konnte ganz tief in mir erspüren, was der in vielen religiösen Traditionen verwendete Begriff Vorsehung bedeutet. Irgendeine Instanz sieht genau voraus was für eine möglichst ideale Entwicklung zur Erfüllung einer bestimmten Zielsetzung nötig ist. Immer mehr durfte ich dies in der weiteren Zukunft auf vielen Ebenen erleben.

Mittlerweile war ich seit fünf Monaten an dem neuen Bundeswehrstandort tätig. Der erste Tag in der neuen Kaserne begann mit einem Gespräch beim Geschwader-Commodore. Ich sitze ihm in seinem großen Büro gegenüber und er beginnt mir mit Feuer und Flamme `seine Kaserne´ in allen Details vorzustellen. Mich interessierte dies wenig und in dem Moment als ich dachte, wo bist du hier nur gelandet, wurde mir eine wunderbare Erfahrung geschenkt.

Ich erlebte mich plötzlich in einem Winkel an der Decke des Zimmers und sah von dort einen Herrn, der auf einen anderen wild gestikulierend einredete. Das eine war der Commodore, das andere mein Körper. `Mit wem spricht er´, war mein Gedanke, `mit meinem Körper´?

Ich fühlte mich völlig frei und durfte erfahren, dass es möglich ist, sich von seinem physischen Körper zu lösen, ja sogar unabhängig von ihm zu existieren, als Geist. Das war die Botschaft meines Lehrers Selvarajan Yesudian, der während der Yoga Stunden oft sagte: „Feel bodyless – fühle dich körperlos.“

 

Zum ersten Mal durfte ich das so erfahren. Wie lange der Zustand dauerte kann ich nicht sagen, denn es verband sich damit ein Gefühl von Zeitlosigkeit. Irgendwann war ich wieder fest mit dem Körper verbunden. Der Kommandeur verabschiedete mich. Offenkundig hatte er von alldem nichts bemerkt. Nach dem Verlassen seines Büros war ich der unsichtbaren Welt zutiefst dankbar für die geschenkte Erfahrung, die in der inneren Einstellung mündete: `Egal, wie die restlichen drei Jahre sich entwickeln werden, was ich hier und jetzt am ersten Tage erleben durfte, war schon so bereichernd, dass es bereits alles, was eventuell an Unannehmlichkeiten auftreten könnte, aufwiegen wird´.

Aus den knapp drei Jahren ursprünglich angesetzter Dienstzeit wurden am Ende nach immer weiteren Verlängerungen elf. Denn die Arbeit gestaltete sich mehr und mehr harmonischer, friedvoller, erfüllter. Viele Menschen haben mir im Laufe der Jahre immer wieder die Frage gestellt: „Wie können Sie mit ihrer Weltanschauung bei einem System wie der Bundeswehr arbeiten?“

Die unsichtbare Welt hat mich hierher gestellt war meine Antwort und so haben wir uns in der gesamten Zeit immer darum bemüht, unsere Zahnarztgruppe für die Soldaten zu einer Oase der Ruhe und des Friedens zu machen. Mit Gottes Hilfe war dies selbst in einem System wie der Bundeswehr auf wundersame Art und Weise möglich. Das könnte ich heute in der Reflexion als mein Credo bezeichnen und es gelang mir in den Jahren das auch in meiner Privatpraxis zu kultivieren.

 

Ich erzählte bereits, dass mir der Chefarzt des Krankenhauses alle therapeutischen Dinge verboten hatte, die nicht universitär vermittelt worden waren. Das war ja der Auslöser dafür die eigene Praxis zu planen und zu gründen. Mit dieser Vorgabe kam ich auch an den neuen Standort, wo mein damaliger Chef, ein schulmedizinisch orientierter Allgemeinmediziner, ebenfalls versuchte diese Dinge zu unterbinden. Auch in anderen Bereichen zeigte er sich nicht unbedingt kooperativ, sodass die ersten drei Monate mit einigen Schwierigkeiten angefüllt waren.

Und so schickte die unsichtbare Welt wieder einen `Engel´. Im Februar 1989, knapp drei Monate war ich am neuen Standort tätig, wurde der Chef, ein Oberstabsarzt, von seinem fachlichen Vorgesetzten, einem Oberstarzt, turnusmäßig überprüft. Aus welchen Gründen auch immer, lenkte dieser seine ersten Schritte an dem betreffenden Morgen in unsere Zahnarztgruppe. Gegen neun Uhr trat er zur Tür herein und obwohl wir uns nie vorher gesehen hatten, waren wir uns sofort sympathisch. So begann eine Unterhaltung, die sich ohne Pause bis etwa 16.30 Uhr fortsetzte.

Im Laufe unseres Gespräches erzählte er mir von seinem Leben, seinen Indienaufenthalten, von hinduistischer und buddhistischer Philosophie. Da er spürte, dass auch ich in diesem Bereich tiefe Wurzel hatte, kam es zu einem regen Austausch.

 

Er fragte nach meinem Werdegang, meinem Behandlungskonzept und vielem mehr. So sprach ich auch die Probleme mit dem Chef an, berichtete ihm von meiner Akupunktur-Ausbildung und wie man diese Methode auch bei der Behandlung von Soldaten anwenden könnte. Dann sagte er: „Ich gebe Ihnen hiermit die vorläufige Erlaubnis, Soldaten in Möhnesee mit Akupunktur zu behandeln. Ich sehe, dass Sie sich damit beschäftigt haben und wenn keine Klagen kommen, werden wir das offiziell machen. Zudem werde ich Ihnen ein Schriftstück zusenden, auf Grund dessen sie sich Akupunktur Nadeln fortan nicht mehr privat besorgen müssen, sondern direkt über die Bundeswehrapotheke bestellen können.“

Als gegen 16 Uhr der Chef an die Tür klopfte und meinte, er müsse wegen eines Termins nun weg und wolle sich nur kurz verabschieden - er hatte den ganzen Tag auf das Gespräch mit dem Oberstarzt gewartet - erwiderte dieser: „Sagen Sie ihr Treffen ab und warten Sie bis ich komme. Im Übrigen werden Sie von nun an Dr. Wettingfeld nach Kräften unterstützen und ihm keine Steine mehr in den Weg legen. Er wird mir berichten und wenn es noch irgendwelche Klagen gibt, leite ich entsprechende Maßnahmen ein.“ Von dieser Stunde an waren die Verhältnisse ein für alle Mal geklärt. Ich durfte völlig autark praktizieren und die Zahnarztgruppe Dank vieler lieber Helfer der sichtbaren und unsichtbaren Welt zu einem Ort entwickeln, wo sich fast alle Patienten bis zum Ende meiner Tätigkeit, dem 31.12.1999 überwiegend wohl gefühlt haben.

Wieder bekam ich also von der unsichtbaren Welt mehr geschenkt, als ich hatte aufgeben dürfen. Diese Entwicklung aber war nun so tiefgreifend, dass sie sich auch für alles Zukünftige immer mehr zu einer wirklichen Erfahrung abklärte.

 

Geschult durch die lebenskundige Ausbildung bei meinem Lehrer und die innige Begleitung der Erkrankung meines Vaters betrat ich also 1982 mit dem zahnmedizinischen Studium einen neuen Lebensabschnitt. Das zahnärztliche Arbeiten sollte in meiner Vorstellung zwar die Basis darstellen, doch wollte ich mich darüberhinaus vor allem um Menschen kümmern, sie über ihre Zähne und ihren Mund behandeln.

So also wurde der ganzheitsmedizinische Part fast schon zu Beginn des Studiums fest mit dem universitären Anteil verzahnt. Dr. Bauer legte den Samen, Dr. Türk gärtnerte ihn. Ich lernte dort viele Aspekte komplementären Arbeitens kennen und ankerte letztlich bei der Akupunktur. Schon zum Ende des Studiums belegte ich Fortbildungskurse bei der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur, der DÄGfA. Damit glitt ich in die Bundeswehrzeit hinein.

 

Im August 1989, kurz nach der Eröffnung meiner eigenen privatzahnärztlichen Praxis, wurde mit dem Schließen der Yoga-Sommerschule im schweizerischen Ponte Tresa ein neuer Lebensabschnitt eingeleitet. Im November des Jahres, ich war mittlerweile neben den Tagungen auf dem Kongress der Ärzte für Naturheilverfahren in Freudenstadt auch Teilnehmer bei der medizinischen Woche in Baden-Baden geworden, fesselte mich dort ein Seminartitel: `Ausbildung zum Priesterarzt´.

Schon zu Beginn meiner therapeutischen Zeit bei der Bundeswehr hatte sich in mir, sicher auch gespeist durch die intensiv erlebte fast 14-jährige Zeit mit meinem Lehrer, ein Empfinden aufgebaut, dass ärztliches Tun und religiöses Handeln sich gegenseitig bereichernd verbinden sollten. Früher im alten Ägypten gab es dazu die Begrifflichkeit des `Priesterarztes´. Auch wenn die persönlichen, praktischen Anfänge noch sehr überschaubar waren, liegt doch hier die Wurzel für vieles später Folgende. Und das besuchte Seminar hauchte all dem nun mehr und mehr Leben ein.

 

Kurze Zeit nach meinem Wechsel in den neuen Tätigkeitsbereich besuchte mich der evangelische Standortpfarrer. Damals leistete sich der Staat für seine Soldaten an jedem Standort und für jede Konfession einen Pfarrer. Dieser hielt mit den Soldaten lebenskundigen Unterricht ab, lud in der Kasernen-Kirche zu Messen und Besinnung ein und veranstaltete mehrtägige Rüstzeiten in den der jeweiligen konfessionellen Militärseelsorge zugehörigen Heimen. Diese lagen wunderschön ruhig und hatten fast Hotelcharakter.

Mit dem Pfarrer verband mich schon seit dem ersten Gespräch eine Vertrautheit und da wir in unserem beiderseitigen Tun über die zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr eine wesentliche Basis fanden, haben wir uns zusammen getan. Seine Aufgabe war die Seelsorge. Meine die Heilfürsorge. So machte ich ihm nach kurzer Zeit den Vorschlag uns doch gemeinsam zu sorgen. Er um die Seele und ich um das Heil der Soldaten. Damit begann eine bereichernde, erfüllende Zusammenarbeit.

Gemeinsam gestalteten wir für die Soldaten nun zu Ostern und Weihnachten in der Kirche besinnliche Zeiten und vor allem regelmäßig die mehrtägigen Rüstzeiten.

 

Über das Seminar in Baden-Baden kam ich mit dem Referenten näher in Berührung und habe bei ihm bis etwa 1995 intensiv lernen dürfen. So füllte sich die scheinbare Vakanz, die durch den öffentlichen Rückzug meines Lehrers entstanden war, vor allem über die konkrete Beschäftigung mit den universellen Gesetzen des Lebens. Viele Seminare durfte ich dazu bei ihm besuchen, eingerahmt von den regelmäßigen Veranstaltungen mit den Schwerpunkten `Fasten, Schweigen, Meditieren´.

Hier liegen die Wurzeln für meine immer intensivere und erfüllende Beschäftigung mit den Lebensprinzipien, die bis zum heutigen Tage andauern und wohl erst mit dem letzten Atemzug hier auf Erden ihr Ende finden. Vorläufige Höhepunkte dabei stellen meine beiden Bücher zum Thema dar, `Die universellen Gesetze des Lebens´ aus dem Jahr 2003 und `Kosmische Spielregeln´ vom April 2022.

 

In der Zwischenzeit arbeitete ich weiter bei der Bundeswehr und anschließend in meiner privaten Zahnarztpraxis. Ein normaler Alltag begann morgens um 5.15 Uhr. Gegen 6.15 Uhr fuhr ich dann von Schmallenberg 70 Kilometer zum Standort nach Möhnesee, den ich gegen 7.30 Uhr erreichte. Dort habe ich dann bis 15.30 Uhr durchgearbeitet. Anschließend ging es weiter in meine etwa 20 Minuten entfernte Praxis und dort war ich in der Regel bis ca. 18.30 Uhr tätig. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause, etwa eine Stunde Fahrzeit. 150 Kilometer im Auto, ein knapp 15-stündiger Tag und das für lange Jahre, bis zum Ende Dezember 1999.

Durch sporadische Akupunktur-Kurse habe ich die gewonnene Basis in der Zeit gefestigt und war schon seit dem Ende des Studiums der Internationalen Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin (GZM) beigetreten. Diese bot ab Mitte der neunziger Jahre seinen Mitgliedern eine Qualifizierung an. Dafür mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Die eingereichten Unterlagen wurden dann von einem Fortbildungsbeauftragten geprüft und gewichtet. Ich hatte dazu meine relevanten Zertifikate eingereicht und bekam kurze Zeit später die Botschaft, dass noch zwei Lerninhalte zum Abschluss fehlen würden.

 

So meldete ich mich für die entsprechenden Kurse an. Referent des ersten Seminars, vom 12.-14. Januar 1996, war der aktuelle Fortbildungsbeauftragte der GZM. Er war zugleich an dem Fortbildungskolleg Naturheilverfahren (FKN) beteiligt, worüber die Veranstaltungen organisiert wurden. Während einer Pause der zweieinhalb-tägigen Veranstaltung sprach ich mit einem Teilnehmer über die Bachblütentherapie. Der Referent kam hinzu, lauschte einige Augenblicke und sagte am Ende der Konversation zu mir: „Ich möchte mit Ihnen Seminare veranstalten.“

Ich war nicht nur überrascht, sondern fühlte mich natürlich auch geschmeichelt. Und habe einfach nur ja gesagt, als er mir den ersten Termin drei Wochen später in Dresden mitteilte, zum Thema `Psychologische Beratung und Ganzheitliche Zahnmedizin´. Es war ebenfalls ein zweieinhalb Tages-Kurs.

 

Ich wusste damals noch nicht, welche Bedeutung dieser Kontakt für meine weitere Beschäftigung mit komplementärer Medizin haben sollte. Dennoch, einem inneren Empfinden folgend, habe ich mich einfach an die Hand nehmen lassen. Für ein ausgeprägtes Ego wäre die erste Veranstaltung allerdings ernüchternd gewesen. Zwanzig Unterrichtseinheiten standen zur Verfügung, davon durfte ich zwei gestalten. Das heißt, dem überwiegenden Teil des Seminares habe ich nur beigewohnt. Im Nachhinein war es eine Lehrphase, für die ich als Nebeneffekt gar noch eine Entlohnung erhielt.

 Bei der nächsten Veranstaltung, im September des gleichen Jahres in Nürnberg, durfte ich etwa 4 Unterrichtsstunden gestalten. Es war wohl wichtig, mich, mein Weltbild, mein Empfinden langsam den Teilnehmern anzupassen. Später sollte mir einmal die Frau eines Kollegen sagen: „Sie wissen, dass sie mit dem was sagen und tun der Zeit weit voraus sind.“ So sagte ein Teilnehmer nach dem Kurs in Nürnberg: „Ihre Botschaften waren schon recht abgehoben. Aber ich habe sie als einen authentischen Menschen erlebt und es Ihnen abgenommen. Es war wohl der bisher wichtigste Kurs in meinem Leben. Aber er hätte nicht früher kommen dürfen.“

 

15 Jahre später kam zum Ende des letzten Blocks einer 48-stündigen Ausbildungsreihe zum Thema Ganzheitliche Zahnheilkunde, die ebenfalls in Nürnberg stattfand, ein älterer Kollege auf mich zu und sagte: „Ich habe in meinem Leben schon viele Referenten erlebt. Aber keiner war für mich so authentisch wie sie.“ Er reiste oft in Begleitung eines jungen Kollegen, mit dem er so etwas wie ein Vater-Sohn-Verhältnis hatte. Im Januar 2018 meldeten sich beide zu einem Seminar in Friedewald an. Es begann am Freitag um 10 Uhr und fast schon rituell bereitete ich den Veranstaltungsraum zwischen 8 und 9 Uhr liebevoll vor. Gegen 8.30 Uhr klopfte es an der Tür. Ich öffnete und der ältere Kollege stand draußen. Er begrüßte mich, sagte, sie seien in der Nacht angekommen und wir begannen eine kurze oberflächliche Konversation. Dann verließ er mich.

 Zu Beginn des Seminars machten wir eine kurze Vorstellungsrunde der Teilnehmer. Als er an der Reihe war, gab er mir folgende Botschaft. „Als ich mit Wolfi hergereist bin, habe ich ihn gefragt, wie Dr. Wettingfeld wohl heute sein würde. Ob er noch genauso ist wie damals. Jetzt wo ich ihn wieder erlebe kann ich sagen, ja er ist noch so. Und nun freue ich mich noch mehr auf unsere gemeinsame Zeit.“

 

Ein halbes Jahr später, im Frühjahr 1997, hielt ich allein den ersten Kurs zum Thema in Hannover und kurz danach folgte in Düsseldorf das zweite Seminar. So begann meine Referenten-Tätigkeit beim FKN, die sich später in den Bereich der Mund-, Ohr- und Körperakupunktur für Zahnärzte erweiterte. Die Grundeinführung in die ganzheitliche Zahnheilkunde komplettierte das Seminarangebot der frühen Jahre.

In einem Ort im bayerischen Wald war damals eine Klinik für Traditionell Chinesische Medizin aufgebaut worden. Dazu hatte ein GZM-Referent innigen Bezug und sich in das therapeutische System eingearbeitet. So bot er dazu Seminare an und bedingt durch den Rückenwind des persönlichen Kontaktes aus dem Januar besuchte ich eine erste Veranstaltung in Nürnberg Anfang März 1996. Doch trotz zweieinhalb Tage intensiver, strukturierter Fortbildung sprang der Funken zunächst noch nicht über. Aber der Vorbote verfehlte seine Wirkung nicht.

 

Erst einmal stand aber noch etwas anderes im Vordergrund. Ich hatte mich seit einiger Zeit bei der DÄGfA als Tutor beworben. Diese stehen den Referenten während der Kurse als Assistenten zur Seite und leisten Hilfestellung etwa bei den praktischen Demonstrationen. Für mich schien das eine wunderbare Gelegenheit zu sein, weiter zu lernen und mein Wissen zu vertiefen. Dafür gab es dann gar noch ein Honorar. Im April bekam ich so meinen ersten Einsatz bei einem Mundakupunktur-Kurs in Schwäbisch/Hall. Referent war ein renommierter Akupunkteur und Buchautor. In der Mittagspause entdeckten wir eine essenzielle Gemeinsamkeit. Die `Liebe´ zur griechischen Insel Patmos. Sie war Anfangs die Grundlage unserer weiteren Zusammenarbeit und so stand ich ihm für einige Zeit bei weiteren Veranstaltungen zur Seite.

Er gehörte dem DÄfA-Vorstand an und offerierte mir Recht schnell, dass die Gesellschaft nun eine Vollausbildung ärztliche Akupunktur anbieten würde und ich solle mich doch dort zu den Sonderkonditionen eines Tutors anmelden. Ich hatte davon zwar schon gehört, aber nach absolvierter Grundausbildung noch keinen konkreten Impuls verspürt, eine erneute, zeitaufwendige Weiterbildung zu beginnen. Über diesen Anstoß meldete ich mich nun an.

Meine bisherigen Zertifikate wurden für den neuen Ausbildungsgang vollständig anerkannt und die fehlenden Bausteine konnte ich mir nun in den nächsten 19 Monaten passend zusammenlegen, bis zur Prüfung im November 1997. Obwohl ich mich nun weiter darum bemühte und meine Qualifikation nach der erfolgreich absolvierten Vollausbildung jetzt deutlich höher war, fand erstaunlicherweise damit die Tätigkeit bei der DÄGfA ein Ende. Damals habe ich mich schwer getan, das mit Verständnis zu belegen. Aus der Distanz von einem Vierteljahrhundert betrachtet, war allerdings schon alles für den nächsten Schritt in meinem therapeutisch komplementären Wirken vorbereitet.

 

Dieser führte mich nun immer tiefer in das Gebäude der TCM hinein und in der Folge zu einer eigenständigen Referenten-Tätigkeit, der ich dann fast 23 Jahre in sich stetig steigernder Intensität freudig nachkommen durfte.

Im Frühjahr 1997 durfte ich beim FKN einen ersten Mundakupunktur-Kurs eigenständig leiten. Es war der Beginn einer langjährigen, erfüllenden Verbindung zwischen mir und vielen interessierten Menschen, die mich dabei begleiteten, meine eigene Seminarkultur zu entwickeln.

 

Genau vier Wochen vorher nahm ich an einem der wichtigsten Seminare meiner Vorbereitungszeit teil. Immer wieder hatte ich von der Physioenergetik als manuellem Testverfahren gehört und mittlerweile waren mir zumindest namentlich viele Referenten der komplementären Zahnheilkunde bekannt, die ihre diagnostische Basis darauf aufgebaut hatten. Ich konnte bis dahin allerdings noch keine Verbindung zu der Methode aufbauen. Auf meinem Weg war ich zwar schon mit apparativen Verfahren wie der Elektroakupunktur nach Voll und der Kinesiologie als manueller Technik in Berührung gekommen, doch für eine tiefe Beschäftigung damit konnte ich mich nicht begeistern. Die Physioenergetik kannte ich noch nicht.

Sie wurde uns von Raphael van Assche geschenkt und er hielt über das FKN einen zweieinhalb-tägigen Kurs in Nürnberg. Hier erlernte ich zunächst in Grundzügen eine Technik, die ich dann mehr und mehr als `meins´ bezeichnete und die bis auf den heutigen Tag im zentralen Focus meines komplementären Behandlungsspektrums steht.

 

Ich schrieb schon, dass ein Referent über das FKN Seminare zum Einstieg in die TCM für Zahnärzte anbot und ich Anfang März 1996 dort erstmals hinein schnupperte. Das aber für die Beschäftigung noch keine Nachhaltigkeit erzeugt hatte. Als kurzer Einschub möge hier dienen, dass die Akupunktur, mit der ich mich ja schon mehr als ein Jahrzehnt beschäftigte, nicht mit der TCM zu verwechseln ist. Sie ist lediglich eine Teildisziplin des Systems, die in der Klassifizierung der Schule im bayerischen Wald ca. 25% ausmacht. Etwa 60% entfallen auf die Arzneimitteltherapie, je 5% füllen Qi Gong, Tuina Massage und die chinesische Ernährungslehre.

Trotzdem glauben viele Therapeuten die Akupunktur Behandlungen anbieten, dass sie TCM betreiben. Mir mag es am Anfang ähnlich ergangen sein. Doch die tiefere Beschäftigung mit dem gesamten System war in mein Lebensbuch geschrieben und so konnte ich mich dem nicht entziehen. Dennoch musste die unsichtbare Welt etwas nachhelfen.

 

Seit geraumer Zeit plagte mich Mitte der 1990-iger Jahre ein körperliches Symptom, was ich als Druckgefühl im Oberbauch beschrieb oder kantiger gesprochen, als `die Faust´ erlebte. Es zunächst ignorierend machte ich mit meinen Beschäftigungen immer weiter, bis zum Ende des Jahres 1996 der Leidensdruck so groß wurde, dass ich mich ambulant ins Bundeswehrkrankenhaus begab, wo eine Gastroskopie vorgenommen wurde. Jeder der das einmal hinter sich gebracht hat, kann erahnen, wie groß dabei der innere Druck sein muss. Kurz vorher hielt ein führender deutscher Reflextherapeut ein Seminar in Düsseldorf zu dem ich als Patient gereist war. Er behandelte mich mit seinen reflektorischen Techniken, doch ohne subjektiv positives Ergebnis.

Der Kollege im Krankenhaus war sich sicher, dass ein Helikobakter hinter dem Geschehen stehen würde und das wollte er mir dann bei der Magenspiegelung am Bildschirm über Entzündungszeichen zeigen. Doch er fand bei seiner Inspektion nur intakte Schleimhaut, was ihn aber von seiner vorgefassten Diagnose nicht abbringen konnte. „Wahrscheinlich hat er sich versteckt“, sagte er zu mir. „Ich mache einen Abstrich und dann züchten wir ihn an. Nach einer Woche wissen wir Bescheid.“

 Für die Zwischenzeit verordnete er mir Medikamente, die ich mehr recht als schlecht vertrug, ohne dass sich am Beschwerdebild etwas veränderte. Dann rief er mich an und sagte überrascht, es sei kein Helikobakter nachweisbar. Auf meine Frage was nun zu tun sei, war seine Botschaft, die Medikamente weiter einzunehmen. Das habe ich nicht gemacht, sondern alles abgesetzt Somit hatte ich zumindest zwei Effekte. Zum einen spürte ich neben der persistierenden Symptomatik nun keine medikamentösen Nebenwirkungen mehr und zum anderen erlebte ich, wie schon fast zwei Jahrzehnte vorher bei der Erkrankung meines Vaters, die Ohnmacht der sich oft allmächtig gebenden Schulmedizin.

 

In der Zwischenzeit hatte ich immer wieder von Professor Liao gehört, den genialen, ersten chinesischen Chefarzt der TCM-Klinik im bayerischen Wald. Anfang 1997 rief ich dort an, um einen Termin für die Untersuchung meiner Beschwerden zu vereinbaren. Darüber durfte ich dann eine der großartigsten therapeutischen Erfahrungen meines Lebens machen. Mit viel Hoffen und Vorstellungen machte ich mich auf die gut 600km lange Reise. Ich erreichte die Klinik zur ausgemachten Uhrzeit, musste nur kurz warten und wurde dann zur Ordination gerufen. Professor Liao saß an einem Tisch, flankiert von zwei chinesischen Kollegen, vermutlich seinen Assistenten.

Im rechten Winkel dazu positionierten sich zwei weitere Ärzte. Später erfuhr ich, dass es sich um den deutschen Chefarzt und einen seiner Mitarbeiter handelte. Eine Besonderheit der Klink bestand unter anderem darin, dass es einen chinesischen Strang gab, wo konsequent nach TCM-Richtlinien behandelt wurde, mit Chefarzt, Oberarzt, Assistenten und parallel dazu eine deutsche Schiene, ebenfalls mit Chefarzt, Oberarzt, Assistenten, wo ein großer Part westlicher naturheilkundlicher Methoden angeboten wurde.

 Liao verständigte sich mit mir über etwas `Hausfrauenenglisch´ und wies mir mit einer Handbewegung einen Platz auf dem Stuhl zu, der vor dem Tisch stand hinter dem er saß. Dann sagte er zu mir: „Give me your Hand.“ Ich hatte schon von der chinesischen Pulsdiagnose gehört, für die das Areal vom Übergang der Hand in den Unterarm benutzt wird und die Technik auch schon früher einmal bei Dr. Bauer in Arosa erlebt, als er meine Mutter behandelte. Sie schien mir immer sehr kompliziert.

 

Nun durfte ich sie an mir selbst erfahren. Während er die Pulse fühlte sprach er weiter: „Show me your tongue.“ Ich streckte ihm also die Zunge heraus, die er ebenfalls zur Diagnostik benutzte. Etwa 30 Sekunden waren vergangen, als er einen Rezeptblock beschrieb und mir das Schriftstück einige Minuten später in die Hand drückte. Dann zeigte er auf die Tür mit der gefühlten Botschaft: `Wir sind fertig, sie können gehen´. Ich stutzte und mir gingen viele Gedanken durch den Kopf. Dafür bin ich nun 600 Kilometer unterwegs gewesen und fahre jetzt die gleiche Distanz wieder zurück, war ein zentraler Aspekt. `Wo ist denn nun das Problem brachte´, ich dann doch noch über meine Lippen. Der alte weise Herr lächelte mich an und sagte: „Liver Qi attacks the Milz.“

 

Ich verließ den Raum, ging zur angeschlossenen Apotheke in der Stadt und gab die Medizin in Auftrag. Liao hatte auf Grund der Puls- und Zungendiagnostik eine TCM Arzneimittelrezeptur verordnet. Die Zubereitung dauerte einige Tage und sie wurde mir dann zugeschickt. Alles was ich bislang mit TCM verbunden hatte, spielte in diesem Ablauf keine Rolle. Es war etwas ganz anderes, eine eigene Welt, zu der auch die mir bekannte westliche Medizin keine Berührung hatte.

Etwa 14 Tage nach dem ich die als Dekokt bezeichnete Medizin eingenommen hatte, eine Art Tee in Form eines Aufgusses zubereitet, war die Symptomatik verschwunden. Die Faust im Oberbauch hatte sich aufgelöst und dabei alle zusätzlichen Begleiterscheinungen mitgenommen.

Der Chinesische Tee ist im Übrigen etwas ganz spezielles und später, als ich für viele meiner Patienten selbst ein solches Gemisch verordnet habe, gab es nicht wenige, die es nicht trinken konnten, selbst mit Honig gesüßt.

 

Für mich brach dieses Erlebnis den Bann und etwa um diese Zeit wurden in der Klink einführende TCM-Seminare angeboten. Freudig interessiert nahm ich nun daran teil. Die darüber gelegte Basis hat bis auf den heutigen Tag meine ganze komplementäre therapeutische Praxis getragen und wurde auf vielen Ebenen zentraler Baustein der Seminartätigkeit. Es waren vor allem die Grundsymbole der TCM, Monade, Organuhr, Energiekreislauf und das Fünf-Elemente-Schema. Die sich aus letzterem ergebenden Entsprechungen sind Basis reflektorischer Akupunktur-Systeme.

Mitte der 1980-iger Jahre war ich damit erstmals mit der in Berührung gekommen, dennoch war es mir noch nicht geschenkt, einen tiefen Sinn oder eine gar eine Verinnerlichung der Botschaften zu erfahren.

In all der Zeit habe ich versucht, wenn auch noch nicht bewusst, das medizinische Konstrukt zu einer Lebensführung zu weiten und mit essentiellen Fragen nach dem Sinn des Daseins zu verquicken.

 

So kam es zu einem Punkt, an dem es möglich war meine spirituelle Ausbildung, die ich durch den Kontakt mit meinen Lehrer 1974 beginnen durfte, mit einem medizinischen System zu verbinden, was ich nun immer tiefer über die Grundlagen der TCM kennenlernen durfte. Und die Kongruenz schafften die universellen Gesetze des Lebens, mit denen ich mich in den beginnenden 1990-iger Jahren über Seminare immer mehr vertraut machen durfte. Es ist nicht einfach auf medizinischen Fortbildungen von universellen Lebensprinzipien zu sprechen. Aber wenn sie sich in einem Medizinsystem spiegeln, welches nicht nur Zahnärzte, sondern auch Ärzte zusammenbringt, ist das ein besonders großes Geschenk.

In all den Jahren habe ich mich bemüht, das System der TCM vor dem Hintergrund universeller Gesetzmäßigkeiten auf ein Lebensführungsmodell auszudehnen. Die TCM ist deutlich mehr als ein Medizinsystem. Sie ist auch Spiegel der Gesellschaft, von Philosophien, Weltanschauungen und so weiter, vor allem aber in dem Sinne kostbar, dass ihre Botschaften wie ein unverrückbarer Berg stehen. Wenn wir uns die Frage stellen was wahr ist, so hat jeder seine eigene Definition. Aber nehmen wir als übergeordneten Begriff, dass wahr ist, was sich niemals ändert, würde vor diesem Hintergrund bereits vieles von dem was heute als wahr bezeichnet wird durch das Raster fallen.

Die TCM hat einen Altersfundus der 2500-3000 Jahre zurückliegt. Seitdem hat sie sich in ihrer Grundausrichtung nicht verändert. Immer wieder geht es um die gleichen dargestellten Prinzipien und das sind letztlich die universellen Gesetze des Lebens.

Wenn wir die Botschaft von C.G. Jung dazu nehmen, „der Sinn der physiologischen Verkörperung liegt im erkennen der Logik der Schöpfung“, so haben wir vorrangig drei Möglichkeiten um sie zu erlernen. Einmal die Natur, dann die universellen Gesetze des Lebens und die Synthese von beiden.

 

Nach dem Erlernen der Theorie oder den Grundlagen, machte ich mich daran auch praktische Erfahrungen zu sammeln. Und so behandelte ich in den folgenden Jahren viele meiner Patienten komplementär nach TCM-Strategien. In dieser Phase durfte ich mir beim FKN den Fortbildungsschwerpunkt Akupunktur aufbauen und diesen bis in das Jahr 2002 immer weiter etablieren. Als Frucht daraus entwickelte sich eine Seminargruppe, die sich bis auf den heutigen Tag fast 50x in einem Seminarhaus im Sauerland getroffen hat.

Der ehemalige Fortbildungsbeauftragte der GZM war seit dem Jahr 2000 zum 2. Vorsitzenden aufgestiegen und über seine Vermittlung durfte ich Mund- und Ohrakupunktur-Kurse an der TCM-Klinik in Kötzting halten. Je zweimal referierte ich bis Ende März 2001 dort zu den beiden Themen. Dann beendete sich der Kontakt und mit allem Erlebten durfte ich nun endgültig auch hier meinen individuellen Weg beschreiten und ein eigenes Seminarprofil entwickeln.

 

Die Teilnahme an den beiden wichtigsten komplementärmedizinischen Tagungen in Deutschland, dem Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren (ZAEN) in Freudenstadt, jeweils im Frühjahr und Herbst sowie der Medizinischen Woche in Baden-Baden Anfang November hatte ich schon erwähnt. Bei letzterer organisierte die GZM eine eigene Vortragsveranstaltung und im Anschluss daran fand jedes Jahr die Mitgliederversammlung statt. Dort fragte der erste Vorsitzende im Jahr 2000, ob jemand aus der Gesellschaft Interesse daran hätte auf dem ZAEN-Kongress Seminare anzubieten, mit der Intention Komplementärmedizin und -Zahnmedizin wieder mehr zu verzahnen, so wie es in früheren Jahren gewesen war.

 Diese Zeit kannte ich noch sehr gut. Fast seit dem Beginn meines Studiums, Anfang der 1980-iger Jahre, wurde mir über die Kontakte zu Dr. Bauer, Dr. Kramer und Dr. Türk das Städtchen im Nord-Schwarzwald bekannt. Es war damals ein Mekka der Naturheilkunde. Der Kongress dauerte 10 Tage und jeder einzelne davon war angefüllt mit interessanten, bereichernden Vorträgen und Seminaren. Von Morgens bis Abends wurden etwa im Kurtheater solche Veranstaltungen angeboten. Es war dabei in der Regel bis auf den letzten Platz gefüllt. Von der Buchausstellung gab es einen direkten Zugang zur Empore und ich erinnere mich, dass ich dort oft gesessen und dabei ein Fachbuch studiert oder den Vorträgen gelauscht habe. Beeindruckt von vielen Referenten reifte damals der Wunsch in mir, auch einmal selber dort unten auf der Bühne zu stehen. Er wurde mir im September 2011 erfüllt, als ich den Festvortrag zum Thema `Goethe und die Medizin´ auf dem damaligen Kongress halten durfte.

 

Es war eine euphorisierende Zeit und die Verbindung der Zahnmedizin zur Medizin wurde vor allem über die Vertreter der Herdforschung hergestellt, Fritz Kramer und Ralf Türk. Ihre Kurse und Seminare waren oft ausgebucht und erreichten nicht selten Teilnehmerzahlen von mehr als 50. Das bedeutete, die kleinen Seminarräume waren bis auf den letzten Platz besetzt. Einige Teilnehmer mussten gar mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Dennoch war jedesmal eine regelrechte Aufbruch Stimmung spürbar.

Bis Anfang der 1990-iger Jahren habe ich mich in meinen ganzheitlichen Empfindungen dort als Student und später als Zahnarzt wohl und aufgehoben gefühlt. Ein- oder zweimal bin ich später noch dort gewesen und erlebte dabei den Einbruch der zahnärztlichen Schiene, wodurch auch meine Verbindung zu Freudenstadt ein Ende fand.

So sagte ich also mit einer gewissen Vorfreude zu, nahm mit der Organisation umgehend Kontakt auf und war schon beim nächsten Kongress im Frühjahr 2001 in einer neuen Funktion beteiligt. Nachdem ich vor fast zwanzig Jahren als Student an diesen Ort gekommen war, dort viel lernen und auch den Kontakt zu Dr. Kramer und Dr. Türk aufbauen durfte, war es wohl nun an der Zeit, als Referent den Teilnehmern von meinen Erfahrungen zu schenken und ihnen ein Erleben zu ermöglichen, wie es mir selbst vor langen Jahren geschenkt wurde.

 

Nun also lebte die wunderschöne Verbindung zwischen mir und dem Ort Freudenstadt wieder auf, wobei für mich der Name wirklich zum `omen´ wurde, eine Stadt der Freude. Nach anfänglich angebotenen Einzelveranstaltungen, durfte ich von 2005-2011 zwei Ausbildungsreihen über 300 Stunden organisieren, dabei die Teilnehmer betreuen, zum größten Teil selber unterrichten und sie auf diese Weise zur qualifizierten Mitgliedschaft der GZM geleiten. So verzahnte sich auch meine Verbindung zu der Gesellschaft mehr und mehr und bis zur Etablierung eines neuen Vorstandes im Jahr 2011 wurde ich schrittweise zu so etwas wie dem Fortbildungs- bzw. Qualifizierungsbeauftragten.

Die für mich gefühlte Krönung meiner Tätigkeit in der Stadt der Freude waren zwei Seminarreihen, in denen ich neun Tage am Stück die Teilnehmer zu unterschiedlichen Themen unterrichten durfte. Die Kongressdauer war mittlerweile auf fünf Tage geschrumpft, von Mittwoch bis Sonntag. Die neun Tage ließen in mir noch einmal die Erinnerung an lang zurück liegende Zeiten aufleben, als der Kongress sich über 10 Tage erstreckte, wobei zwei Wochenenden eingeschlossen waren. Es war für mich ein großartiges Erleben, angereichert mit Euphorie und tiefer Dankbarkeit

Danach wurde es immer schwieriger längere Ausbildungen zu etablieren. Die Vorstände im ZAEN und der GZM veränderten sich personell, die neuen Leiter setzten andere Schwerpunkte und so reduzierte sich meine Freudenstädter Seminarzeit auf eine Erhaltensdosis, mit zwei halb Tagesveranstaltungen und einem Vortrag.

 

Fast schon seit Beginn meiner Referenten-Tätigkeit habe ich einen Abendvortrag im Programm gehabt und darüber wurde mir ein weiteres, großes Geschenk offeriert. Es mag im Frühjahr 2002 gewesen sein, als mich Bodo Gerke von der Firma AV-Recording-Service fragte, ob er meinen Vortrag aufnehmen dürfe. Seine Worte klingen mir noch heute im Ohr: „Ich glaube sie haben etwas zu sagen.“ Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt und so gab ich freudig mein Einverständnis. Es war für mich schon etwas Besonderes, das eigene Referat, professionell aufgezeichnet, noch einmal zu hören.

So verkabelte er mich und wir warteten gemeinsam auf die Zuhörer. Für halb sieben war die 45-minütige Veranstaltung angesetzt. Bis etwa viertel vor sieben harrten wir aus, doch der Vortragsraum blieb leer. Das war schon eine unglaubliche Diskrepanz. Jemand gibt mir die Botschaft, ich glaube sie haben etwas zu sagen und dann kommt keiner. Dennoch ließ Bodo nicht locker. Beim nächsten Kongress ein neuer Versuch. Und das war der Start für eine intensive, schaffensreiche Verbindung. Neben dem Aufzeichnen der Vorträge haben wir dort viele Seminare live aufgenommen, kurze und längere Filme zu unterschiedlichen Themen gedreht, dabei viele, weitere, neue Projekte geplant und uns menschlich immer weiter angenähert.

Ab dem Sommer 2006 begann ich ihn in seinem Heimatort unweit von Lübeck zu besuchen und dort gestalteten wir in einem seiner Unternehmung angegliederten Tonstudio vornehmlich Hörbücher und auf seinem privaten Gelände aufwendigere, mitunter zeitintensive Filmsequenzen. Unsere innige Zusammenarbeit endete mit einem letzten Werk im September 2017 in einer meinerseits in der Rückschau erlebten großen Dankbarkeit und Wertschätzung für einen wunderbaren Menschen.

 

Meine Seminaraktivitäten beim Fortbildungskolleg Naturheilverfahren ging in eine temporäre Ruhephase über. Viele geplante Veranstaltungen kamen auf Grund fehlender Anmeldungen nicht zustande. Die Netzwerk-Medizin, ein professioneller Verlag hatte es mittlerweile übernommen und organisierte einmal pro Jahr eine große Tagung, zu der ich regelmäßig als Vortragender geladen wurde. Zusätzlich lagen meine Referenten-Aktivitäten im Leiten von Seminaren in Freudenstadt und Baden-Baden. Wie segensreich auch diese Auszeit sein sollte, wurde mir wiederum erst einige Zeit später bewusst.

 

Seit dem Frühjahr 1997 war ich mit einem Professor für Logistik Management in Kontakt gekommen. „Wie geht ihr bei der Untersuchung von Patienten vor“, fragte er mich kurze Zeit nach unserem Kennenlernen. „Wir machen eine Anamnese, stellen eine Diagnose und verordnen eine Therapie“, gab ich zur Antwort. „Das gleiche mache ich, wenn ich Unternehmen betreue“, war seine Botschaft. „Die Therapie heißt bei mir allerdings intervenierende Maßnahme.“

Aus diesen Gedanken entstand eine langjährige Zusammenarbeit mit dem kreierten Überbegriff, `Gesundheit in menschlichen Unternehmen´. Ein zentraler Aspekt davon war der Begriff Wohlbefinden, der auf der Unternehmensebene einen Wettbewerbsvorteil generieren kann. Aber auch der menschliche Organismus stellt ja mit seinen etwa 80 Billionen Zellen ein Unternehmen dar. So ist Gesundheit dort ebenfalls ein hohes Gut, nach dem die meisten Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten streben. Und da in Unternehmen der Wirtschaft eben auch Menschen arbeiten spiegelt sich in dem Begriff `menschliche Unternehmen´ eine Doppelbödigkeit, die über den sechsten Kondratieffzyklus mit seinen Kernaspekten psycho-emotionale und psycho-soziale Gesundheit weitere Erklärung findet.

 

Da ich mir auf der Grundlage meiner Ausbildung mittlerweile immer tiefere Bedeutungen der Grundsymbole der TCM erschlossen hatte, konnte ich ihn daran in den Folgejahren immer inniger teilhaben lassen. Und so fragte er mich im Herbst 2001, ob ich ihn bei einem großen Projekt begleiten würde, dem Aufbau einer Kultur eines Unternehmens der Papierindustrie mit zwei 500-Mitarbeiter Standorten in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Freudig sagte ich zu und durfte wieder eine wunderbare Schaffensphase mit intensivem Leben füllen. Die zeitlosen Botschaften der TCM, übertragen auf eine unternehmerische Ebene, gaben im Zusammenspiel mit den ins Konkrete umgesetzten, kreativen Gedanken des Hochschullehrers eine außergewöhnliche Synthese, wohl mit einem Alleinstellungsmerkmal in der Unternehmensberatung.

Nach knapp vier Jahren ging diese erfüllende Tätigkeit zu Ende. Ich habe über die erlebten Inhalte drei Kurse für die GZM-Vollausbildung neu konzipiert und den Professor dann eingeladen, diesen zusammen mit mir Leben einzuhauchen: Psychologische Beratung und Ganzheitliche Zahnmedizin, Lebensführung 1 und Lebensführung 2.

Auch für ihn schien die Thematik so wesentlich zu sein, dass er mir einen Lehrauftrag an der Hochschule offerierte wo er tätig war, um die wesentlichen Botschaften Studenten zu vermitteln. Für einige Semester habe ich das Angebot dankbar angenommen.

 

Vom September 2002 bis zum April 2005 führte mich mein Weg noch einmal ins Grenzgebiet des bayerischen Waldes. Bei einem FKN-Kurs zum Thema Mundakupunktur, im November 2001 in Nürnberg, fragte mich ein Teilnehmer, ob ich Interesse daran hätte eine kleine Gruppe von interessierten Kollegen in Schwandorf zum Thema Akupunktur zu unterrichten. Auch an diese Zeit darf ich mich nun dankbar zurückerinnern und die räumliche Nähe ließ mich noch einmal die Zeit in der TCM-Klinik revuepassieren.

 

Freudenstadt, Baden-Baden, Kongresse der Netzwerk-Medizin, Hörbuch und Filmprojekte mit Bodo Gerke, sowie die Seminargruppe im Sauerland, das waren die Aktivitäten bis ins Jahr 2008. Flankiert wurden sie durch ein neues Projekt, was vordergründig kein Lehrauftrag war, bei dem mir aber die große Möglichkeit offeriert wurde, Lebenserfahrung zu sammeln. Vom Januar 2004 bis zum April 2008 durfte ich in unterschiedlichen Intervallen in einer Zahnarztpraxis in Kalabrien arbeiten.

Als dieses Projekt dann zu Ende ging wurde eine neue Runde eingeläutet. Das FKN war ja bereits in die Netzwerk Medizin übergegangen und diese wurde nun vom Verlag GZM Medien und Marketing übernommen. Dort hatte ein junger Mann, der Sohn des Besitzers, die Leitung übernommen. Ich hatte ihn Ende 2008 in Baden-Baden erstmals gesehen und dann erneut im Mai 2009 in Leipzig.

 

Kurze Zeit später machte er mir das Angebot, eine Kursreihe zum Thema Ganzheitliche Zahnmedizin nach dem Freudenstädter Vorbild zu konzipieren. Zunächst im Herbst 2009 mit drei Basis Kursen zu zwei Tagen in Leipzig und bei erfolgreichem Einstieg die Option einer Vollausbildung am gleichen Ort mit 250 weiteren Unterrichtseinheiten innerhalb eines Jahres. Das entsprach 31,5 Tagen und sollte aufgeteilt werden in 8 Kursblöcke. Ein mutiges Projekt. Arbeitsmäßig fanden wir schnell Gefallen aneinander und obwohl die Vorbereitungszeit relativ kurz war, schaffte er es im Herbst 2009 38 Teilnehmer für die Grundausbildung zu aquirieren und darüber dann 12 für die weiteren Blöcke im folgenden Jahr zu motivieren.

Auch die nächsten Grundausbildungen, 2010 in Erfurt und Nürnberg, sowie 2011 in Gummersbach, hatten gut 20 Teilnehmer. Seine Begeisterung war spürbar und besonders die fast schon legendären Worte sprangen auf mich über: „Herr Wettingfeld, wir schaffen eine Bewegung GZM. Es ist schon alles ganz gut was Sie machen“, sagt er oft, „aber wenn wir hier und da etwas ändern, wird es noch etwas besser.“ Zusammen haben wir uns daran versucht und er gab mir alle Unterstützung die ich brauchte, um die Unternehmung erfolgreich weiter zu führen. Wenn ich bedenke, dass ich in jener Zeit all meine Seminarunterlagen, Folien und Diapositive, für die Kurse eingescannt und digitalisiert habe, so frage ich mich heute noch, wie ich das alles neben meinem normalen Alltag und der Referenten-Tätigkeit habe realisieren können.

 

Nach der Veranstaltung in Gummersbach gab es eine neue Planung. „Ihr neues Konzept ist doch noch mehr der Natur angelehnt. Lassen Sie uns dazu von der Stadt aufs Land ziehen und dort den Menschen die weiteren Inhalte anbieten. Was halten Sie davon wenn wir das symbolisch in der Mitte Deutschlands versuchen“? fragte er mich. So wurde die Prinzipienorientierte Ganzheitliche Zahnmedizin auch auf Seminarebene geboren, mit fünf Blöcken zu je zwei Tagen.

 Die Mitarbeiter des Verlages suchten den Seminarort, indem sie über eine Deutschlandkarte zwei Linien zogen. Eine von Nord nach Süd, von Flensburg nach Oberstdorf und eine von West nach Ost, von Aachen bis Görlitz. Im Schnittpunkt beider Linien lag die Mitte Deutschlands, eine Region zwischen Bad Hersfeld und Eisenach. Dort in dem kleinen Örtchen Friedwald fanden sie ein wunderschönes Hotel, welches für etwas mehr als sieben Jahre meine neue und was ich damals noch nicht wusste, die Aktivitäten abschließende Destination werden sollte.

 

66 Seminare durfte ich dort leiten, in Ruhe, Harmonie und Frieden und einem geschützten, behüteten Rahmen, den ich bis dahin noch in keinem anderen Hotel so erlebt hatte. Für mich als Leiter passte alles und je öfter ich kam, je heimischer durfte ich mich fühlen, umso mehr verzahnten sich mein Empfinden und meine Seminarkultur mit diesem Flecken Erde. Doch bis dahin hatte es noch eine, diesen individuellen Weg ebnende, wundersame Fügung gegeben. Unsere erste Veranstaltung war für den 17. März 2012 geplant.

Der Verlagsleiter erwartete mich am frühen Morgen im Hotel. Auf Grund der relativen Nähe zu meinem Wohnort war ich erst am Seminartag angereist, was ich als Kulturgut bis zum Ende meiner Besuche dort so gehalten hatte. Er nahm mich in Empfang, zeigte mir mein Zimmer und anschließend gingen wir in den Seminarraum. In der Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung überraschte er mich mit folgender Geschichte. Er war in seinen letzten Schuljahren auf einem Internat in der Nähe von London gewesen und freundete sich dort mit einem Mitschüler an, der zur sogenannten Erbengeneration gehört. Seine Eltern waren mittlerweile verstorben und er hatte ein Vermögen von 30 Millionen Euro geerbt. Das wollte er nun investieren. Und so nahm er den Vorschlag seines Bekannten an, den Verlag zu kaufen.

„Nach der Teilnehmerbegrüßung werde ich Sie verlassen und hole meinen Schulkollegen in Frankfurt vom Flughafen ab. Dann fahren wir zu meinem Vater nach Herne, kaufen das Unternehmen und wenn alles gut läuft sind wir am Abend wieder zurück. Mein Bekannter möchte sie natürlich auch kennenlernen, denn wir wollen ja weitere Seminare mit Ihnen veranstalten.“

So also verließ er mich. Ich habe ihn bis heute nicht mehr wieder gesehen und nur noch einmal haben wir kurze Zeit später miteinander telefoniert. Angekommen war bei mir über den weiteren Verlauf nichts konkretes, außer dass sein Vater die beiden, kantig gesprochen, rausgeschmissen hatte. Er tauchte dann für eine lange Zeit ab. Später wurde mir übermittelt, er verkaufe nun in Braunschweig Porsche Automobile und sei einer der erfolgreichsten seine Branche in ganz Deutschland geworden.

 

Der Verlag wurde nun zwischenzeitlich von einem neuen Geschäftsführer geleitet. Den für 2012 durchgeplanten ersten Ausbildungsblock `Prinzipienorientierte Ganzheitliche Zahnmedizin´ führte ich so gut wie allein zu Ende, denn inhaltlich war es ja mein `Kind´. Zum Herbst wechselte die Geschäftsführung ein letztes Mal. Nun war eine junge Frau in der Verantwortung, mit der ich einen weiteren Block Prinzipienorientierte Ganzheitliche Zahnmedizin an gleicher Stelle organisierte und anschließend noch zwei größere Veranstaltungen durchführte, ehe sich der Verlag 2015 auflöste.

 

Friedewald habe ich in der Rückschau immer als Erbschaft der Netzwerk-Medizin bezeichnet. Ich habe sie angetreten, gepflegt und behütet. Der Fortbildungscharakter änderte sich in den folgenden Jahren in eine Richtung, die ich in einer retrospektiv legendären Videobotschaft 2011 fast schon visionär beschrieben hatte. Aus dem Pool meiner Seminarteilnehmer bildeten sich kleine Gruppen, die sich immer mehr zu Gemeinschaften formten, wo gegenseitige Achtung, Würdigung und Wertschätzung Kulturgut wurden. Drei dieser Gruppen fanden in Friedewald ihre Heimat, eine weitere gab es, wie ich schon schrieb, seit 2002 im Sauerland. Auch in Baden-Baden und Bautzen hatte ich die Freude mit Menschen erfüllend zusammen zu arbeiten. Bei den regelmäßigen Treffen im Frühjahr und Herbst eines jeden Jahres ging es immer weniger um konkrete Themen, sondern die Menschen kamen freudig zusammen, um Gemeinschaft zu leben und sich dabei behutsam lebenskundig führen zu lassen.

Einem inneren Empfinden folgend habe ich die einzelnen Gruppen im September 2019 aufgelöst. Liebevoll durfte ich mich von allen persönlich und dankbar verabschieden, nicht wissend, aber womöglich fühlend, dass dazu ein halbes Jahr später mit Beginn der Corona-Zeit wohl keine Möglichkeit mehr gewesen wäre.

 

Nun also blicke ich noch einmal zurück auf etwa 30 Jahre Seminartätigkeit und runde mit Hilfe der lieben Elke, die Ende 2017 ganz präsent in mein Leben trat, diesen Teil meines Daseins. Für meine aktuellen Buchprojekte machte sie eine Druckerei ganz in der Nähe ausfindig, wo ich in Ruhe und Stille die finalen Arbeiten zur Fertigstellung ausführen darf. Neben vielen anderen, weiteren, wunderbaren Dingen knüpfte sie den Kontakt zu einem Tonstudio an unserem Wohnort. Dort war es mir dann möglich, viele meiner letzten Hörbuch- und Filmprojekte zu realisieren, ohne noch einmal Bodo Gerke zu kontaktieren, der etwa 450 Kilometer entfernt wohnt. Hier entstand mein letztes großes Projekt, was ich als therapeutisches Vermächtnis beschrieben habe.

 

Was verbirgt sich dahinter?

Zu Beginn dieser abschließenden Betrachtungen nehmen wir zentrale Aspekte dazu: Eine Prinzipienorientierte Medizin und als Frucht daraus den Anspruch: KIS – Keep it simple. Des weiteren eine Botschaft, die Edward Bach über sein therapeutisches System gestellt hat: simplicity.

Und dann eine Begebenheit, die für mich in der Erinnerung bis auf den heutigen Tag einen legendären Anstrich hat. Ich habe ja schon beschrieben, wie ich über meine eigene Symptomatik Anfang des Jahres 1997 zu Professor Liao in die TCM-Klinik in den bayerischen Wald gekommen war, wo er mich mit vordergründig ganz einfachen, diagnostischen Hilfsmittel untersuchte und darüber eine Therapie vorordnete. Der Erfolg dieser Behandlung motivierte mich in den Folgejahren zu immer weiterer, intensiverer Beschäftigung mit der TCM.

 Als ich dann später in der Klinik Seminare gestalten durfte, gab es während der zweitägigen Veranstaltung immer einen besonderen Moment. Irgendwann ging die Tür auf und Professor Liao trat ein. Aus Respekt und mit einer tiefen Wertschätzung verbunden ging ich sofort zur Seite. Liao, mit seinen weißen Haaren und einem von liebevoller Güte überzogenen Gesicht, vermittelte mir die Assoziation von einem weisen Alten. So stellte er sich vor die Teilnehmer, lächelte ins Auditorium und sagte die wunderbaren Worte: „TCM is very easy.“

Dann ging er wieder zur Tür und verließ den Raum. Heute würde ich dazu ergänzen: Nichts ist schwer, wenn man es kann. Dennoch habe ich damals gedacht, versuche Dich dieser Einfachheit anzunähern und dann Deinen Seminarteilnehmern davon zu schenken.

 

Mehr und mehre durfte ich in dieser Weise arbeiten, kleine Forschungen betreiben, Techniken entwickeln und dabei bestehendes effektiv vereinfachen. Die unsichtbare Welt oder das Drehbuch meines Lebens hatte alles Wesentliche dafür vorbereitet. So lernte ich zu Beginn meiner Ausbildung, etwa über die Beschäftigung mit der Akupunktur, eine Vielzahl therapeutischer Techniken kennen. Sozusagen Behandlungskonzepte für mannigfache Krankheitsbilder, jeweils bestehend aus einer Kombination verschiedener Akupunktur-Punkte. Dann kam ich über die Grundlagen der TCM mit ihren zeitlosen Symbole in Berührung, der Monade, der Organuhr, dem Energiekreislauf, dem Fünf-Elemente-Schema und dem Diagramm seiner Entsprechungen. Diese durfte ich nun mit den universellen Gesetzen des Lebens verbinden, mit denen ich mich schon seit vielen Jahren beschäftigt hatte. Im weiteren Verlauf habe ich die Behandlungsmethoden darin eingefügt. Mit dem Ziel sie erstens besser zu verstehen und zweitens womöglich zu vereinfachen.

 

Nehmen wir dazu exemplarisch die Ohrakupunktur. Dabei wird über ein kleines Areal, das Ohr, Einfluss genommen auf etwas Großes, den Körper. Das sich dahinter verbergende Lebensgesetz nennt sich Prinzip der Entsprechung. Das Kleine, das Ohr, entspricht dem Großen, dem Körper, dessen Teile sich im Ohr spiegeln. Setzen wir dort an bestimmten Stellen Nadeln, so können wir Wirkungen im Körper hervorrufen. In meiner Ausbildung habe ich mir dieses Schema von allen namhaften Referenten der damaligen Zeit näherbringen lassen. Alle erklärten wie die Ohrakupunktur wirkt. Aber in meiner Erinnerung wurde die Frage nach dem `Warum sie wirkt´ nicht beantwortet. Fairerweise möchte ich anmerken, dass sie auch keiner gestellt hat.

 Etwa 150 Punkte habe ich im Ohr gelernt. Diese große Anzahl hat vielen Kollegen den Umgang damit verleidet. So machte ich mich erstmals bei dieser Technik auf den Weg einer Vereinfachung. Über das Gesetz der Entsprechung können wir weitere Analogien aufbauen. Vom Makro- in den Mikrobereich. Ist der Körper Makro und das Ohr Mikro, so ist das Ohr zugleich auch Makro in Relation zu Teilen von ihm selbst, die wieder Mikro sind.

Auf diese Weise reduzierte ich über das Fünf-Elemente-Schema und seiner Entsprechung auf der Anthelix, einer Struktur im Ohr, die Akupunktur auf lediglich vier Punkte in beiden Ohren. Vor dem Hintergrund, dass Schmerz oder in meinen Worten jedes Symptom, der Schrei des Organismus nach fließender Energie ist, war dieses Schema nicht nur für ein Krankheitsbild gültig, sondern bei allen einsetzbar.

 

Durch diese Nadelbehandlung wird die Energie wieder zum Fließen gebracht und die Symptomatik verschwindet oder wird zumindest leichter. Ende des letzten Jahrtausends modifizierte ich das System für mich. Es war ein erster, wesentlicher Schritt auf dem Pfad zur Einfachheit und eine fühlbare Annäherung an eine Medizin, dich sich bewusst an universellen Prinzipien orientiert. Nachdem ich damit lange Jahre Erfahrung gesammelt hatte und dabei oft nachhaltigere Behandlungserfolge erlebte wie mit der klassischen Technik, stellte ich diese 2006 in meinem dritten Buch, Ohrakupunktur nach dem Vier-Punkte-System, offiziell vor.

In den folgenden Jahren habe ich in diesem Sinne weiter geforscht. Wenn sich alles entspricht, sollte das Prinzip, Areale zu finden in denen sich der ganze Mensch spiegelt, auch an anderen Stellen der Körperoberfläche gelten. Und es muss möglich sein diese so klein zu gestalten, dass es am Ende einen Punkt gibt, in dem sich alles vereinigt. Das Bild der chinesischen Organuhr, mit Peripherie, Zwischenraum und Mittelpunkt in dem alles zusammen kommt und aus dem alles entspringt, half mir diese Gedanken weiter zu führen. Das Zentrum hat Verbindung zu allem was sich auf der Peripherie zeigt. Verändert sich dort etwas, wird alles andere zugleich mit beeinflusst. So also habe ich mich auf die Suche nach einem solchen Areal oder einem solchen Punkt gemacht, wobei mir die Interaktion mit den Teilnehmern meiner einzelnen Seminargruppen immer wieder wesentliche Impulse gab.

Irgendwann war er gefunden und es war großartig die therapeutische Wirkung zu erleben. Ich nannte ihn von dem Moment an das OPS, das One-Point-Somatotop, das Areal des einen Punktes.

 

Ich mache hier einen Einschub und beschreibe die Technik, die ich zunächst als Wangenakupunktur bezeichnete, so, wie ich sie in einem Artikel näher vorstellen durfte. Es ist ein besonderes Areal vor allem für Zahnärzte, aber auch für Ärzte.

Schon lange wird die traditionelle Akupunktur-Therapie durch Mikrosysteme bereichert. Das sind Körperareale, wo sich der ganze Mensch spiegelt, etwa in Ohr und Mund. Daraus haben sich mit der Ohr- und Mundakupunktur eigene Therapiesysteme entwickelt. Bei der Wirkung neuer, einfacher, reflektorischer Methoden geht es mir vor allem um die Frage, warum wirken sie? Die Orientierung an universellen Gesetzmäßigkeiten gibt die Antwort und hier besonders das Prinzip der Entsprechung.

Vereinfacht hat es Paracelsus mit den Worten beschrieben: Mikrokosmos gleich Makrokosmos. Das Große spiegelt sich im Kleinen und umgekehrt. Was therapeutisch bedeutet, das Große ist über das Kleine zu erkennen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Das Ohr ist in Relation zum ganzen Menschen ein Mikrokosmos, so wie der Mensch ein Mikrokosmos ist in Relation zur Erde. Wenden wir das Prinzip konsequent weiter an, so ergeben sich fließende Übergänge. Doch die Gesetzmäßigkeit bleibt unverändert.

 

Nehmen wir dazu ein weiteres Beispiel. Auf der Zunge spiegeln sich die Funktionskreise der chinesischen Medizin. Somit ist auch sie eine kartographische Darstellung des ganzen Körpers. Bei der Organuhr teilen wir den Inhalt eines Kreises, also das Ganze, mittels 12 Sektoren, die aus dem Mittelpunkt entspringen, in gleich große Areale. Jedes einzelne entspricht einem Meridian. Es ist ein wunderbares Bild für Ganzheitlichkeit. 12 Meridiane, die an der Peripherie des Kreises unterschiedliche Kreisausschnitte abdecken, aber allesamt über den Mittelpunkt miteinander verbunden sind. Alle entspringen also aus der gleichen Quelle. Somit betrifft eine Symptomatik im Körper zugleich immer das Ganze.

Vor diesem Hintergrund stellt sich also nicht die Frage, ob es Ganzheitsmedizin gibt oder nicht. Mit diesem Bewusstsein ist jedes ärztliche Tun ganzheitlich, denn es beeinflusst immer den ganzen Menschen und nicht nur einige seiner Teile.

Aus der Fünf-Elementen-Lehre ergibt sich nun folgendes. Aus 10 Meridianen bilden sich nun fünf Paare, die jeweils eine energetisch funktionale Verbindung miteinander haben und deshalb als Funktionskreise bezeichnet werden. Jeder einzelnen davon wird wieder einem Element zugeordnet.

 

Wenn wir dies nun wieder in das Kreissymbol projizieren, so ergeben sich keine 12 Sektoren, sondern lediglich fünf. Während beim ersten Modell jeder Sektor ein Zwölftel des ganzen Menschen darstellt, findet sich in der zweiten Betrachtungsweise in jedem Sektor ein Fünftel davon. Nun zu den fließenden Übergängen oder der mannigfachen Verschachtelung, vor dem Hintergrund des Prinzips der Entsprechung. Jeder einzelne Funktionskreis wird symbolisch über ein Organ geöffnet. Leber/Gallenblase etwa über das Auge, Niere/Blase über das Ohr, Magen/Milz über den Mund, Lunge/Dickdarm über die Nase und Herz/Dünndarm über die Zunge.

Ich möchte hier zur Sinnhaftigkeit solcher Einteilungen nicht tiefer einsteigen, nur Folgendes zu bedenken geben. Im Volksmund sagen wir, `das Herz liegt auf der Zunge´. So wird westlich, scheinbar ohne medizinischen Bezug, etwas beschrieben, was in der TCM ein Jahrtausend altes Wissen darstellt.

Die Zunge öffnet also den Funktionskreis Herz/Dünndarm. Er entspricht einem Fünftel des ganzen Menschen. Auf ihr Selbst spiegeln sich aber zugleich wieder alle anderen energetisch gekoppelten Meridiane.

 

Vor Jahren habe ich einmal am Strand einer Nordseeinsel Muscheln gesucht, die diesem Schema genügten. Zuerst eine große, dann schrittweise immer kleinere, die sich exakt in die Größe vor ihr einfügte. Bis am Ende eine solch kleine gefunden war, die nur noch mittels einer Pinzette in die vorherige gesetzt werden konnte. Ich schildere dies so eindrücklich, weil nur die Verinnerlichung der dahinter verborgenen Gesetzmäßigkeit die Türen öffnet, für all das, was ich nun weiter schildern darf.

 

Spinnen wir den Faden weiter. Die Erde ist ein Mikrosystem im Vergleich zum Sonnensystem, das Mikro ist in Relation zum Kosmos, um hier zu enden. Aber auch das Ohr ist Makrokosmos im Vergleich zu Teilen in ihm, die selbst wieder Makrokosmos sind in Relation zu den einzelnen Zellen aus denen sie zusammengesetzt sind. Diese sind wieder Makrokosmos in Bezug zu den Atomen die sie bilden. Strategisch lässt sich nun, wie etwa bei der Ohrakupunktur, eine Facette von Mikro und Makro herausgreifen und therapeutisch nutzen. Dazu nehmen wir kleine (Mikro)Teile des Ohres, um den Menschen als Makro zu therapieren.

Mit der Ohrakupunktur nach dem Vier-Punkte-System habe ich Kollegen seit vielen Jahren diesen Schritt näher gebracht und viele wenden diese einfache Methode mittlerweile mit Enthusiasmus und Begeisterung an, die immer weitere Nahrung findet durch manche wundersam anmutende Therapieerfolge im Behandlungsalltag.

 

In Seminaren habe ich den Teilnehmern immer wieder von meiner Vision erzählt, Therapie mit nur einer Nadel möglich zu machen. Seit einiger Zeit beschäftigt mich nun ein Areal, was diesem Anspruch nahe kommt. Es ist lokalisiert im Bereich der Wange. Erfahrungen und Erkenntnisse der Mundakupunktur führen uns zu seiner Lokalisation. Ich nenne es die Wangenakupunktur oder das One-Point-Somatotop (OPS).

Das Verständnis gibt uns eine Medizin, die sich an universellen Gesetzmäßigkeiten orientiert. Das Areal liegt in der äußeren Projektion des OK Retromolarbereichs der Mundakupunktur.

Die Lokalisation ist etwa: Drei Zeigefingerbreiten ventral des Kiefergelenkköpfchens, am unteren Rand des Jochbeins. Die Palapationsrichtung ist von caudal nach cranial, etwas unter dem Jochbein. Die Ortung kann wie bei der Ohrakupunktur mit einem Kugelstopfer erfolgen oder mit dem Zeigefinger getastet werden. In den Bereich maximaler Druckempfindlichkeit wird auf jeder Seite eine Nadel gesetzt.

 

Im Vorfeld dazu gibt es eine Geschichte die lange zurück liegt. Als ich mit der Mundakupunktur in Berührung kam habe ich den im Thema führenden Referenten einmal gefragt, ob es nicht möglich wäre, die den Zähnen großen teils in der Schleimhaut vorgelagerten Mundakupunktur-Punkte nach außen zu projizieren und dann dort mit Akupunktur-Nadeln zu versehen. Seine lapidare Antwort, `das geht und funktioniert nicht´, hat mich fast 15 Jahre gelähmt, dennoch in dieser Hinsicht zu forschen.

Im OK-Retromolarbereich der Mundhöhle laufen auf einem umschriebenen Areal alle Funktionskreise der TCM zusammen. Dort liegt intraoral die höchste Behandlungskompetenz. Oft hat dieser Bereich mir seine therapeutische Wirksamkeit bewiesen. Und irgendwann habe ich ihn dann nach außen projiziert, als externes Somatotop benutzt und dort Nadeln gesetzt. Darüber durfte ich dann viele wunderbare Behandlungserfolge erleben. Diese haben mich motiviert, es in die Öffentlichkeit zu tragen und so bot ich über die GZM auf der medizinischen Woche in Baden-Baden dazu ein Seminar an, zusammen mit der damaligen 2. Vorsitzenden, die, wie sie sagte, für die Aquise unterstützend ihren Namen hergeben wollte.

In der Ankündigung des Programmheftes fand sich in der Seminarbeschreibung das Wort OPS. Daraufhin intervenierte ein Reflextherapeut bei der Gesellschaft und der Reservevorsitzenden, wir mögen den Titel ändern, weil wir uns sonst lächerlich machen würden. Die Vizevorsitzende argumentierte nun ebenfalls in diese Richtung und wollte ihren Ruf nicht aufs Spiel setzen. So wurde der Titel geändert, das Seminar blieb inhaltlich allerdings unverändert.

 

Auf eine Deutung des Geschehens vor dem Hintergrund des Verhaltens der beteiligten Akteure möchte ich hier verzichten und überlasse sie den Lesern. Es reiht sich ein in das, was ich am Ende dieser Ausführungen noch kurz anmerken werde.

 

Nun wieder zurück zur Technik. Ihre Indikation ist im Spiegel der Prinzipienorientierung ähnlich, wie bei den anderen reflektorischen Akupunktur-Methoden, die ich unterrichte. Auf einem umschriebenen Bereich repräsentieren sich auch hier alle Funktionskreise der chinesischen Medizin. Eine Druckempfindlichkeit in diesem Areal deutet auf ein energetisches Ungleichgewicht in einem Funktionskreis hin und somit im Energiekreislauf. Da alles mit Allem verbunden ist, beeinflusst dies immer den ganzen Menschen, was sich in unterschiedlichen Symptomen zeigen kann. Denn die Ursache jedes Symptoms zeigt sich für mich in einem energetischen Ungleichgewicht im Energiefluss durch die einzelnen Meridiane. Die Behandlung dieses Areals löst die energetische Blockade und bessert die Symptomatik. Der Patient erlebt subjektiv eine Erleichterung seiner Beschwerden. So geht es auch hier nicht um ein spezielles Symptom bei dem diese Methode einzusetzen ist, sondern mit dieser Technik ist ebenfalls jedes Symptom unterstützend und begleitend zu behandeln.

 

„Müsset im Naturbetrachten immer ein wie alles achten. Nichts ist drinnen nichts ist draußen, denn was innen das ist außen. So ergreifet ohne Säumnis heilig öffentlich Geheimnis.“ (Goethe)

 

Zum Beginn des Jahrtausends hatte ich in Nürnberg einen Physioenergetik-Kurs besucht. Ähnlich wie bei der Akupunktur erlebte ich ein sich auf den Grundtest aufbauendes, umfangreiches, diagnostisches Gebäude, welches, je mehr davon beschrieben und prognostiziert wurde, für mich eher kompliziert erschien. So habe ich aus diesem Kurs für mich als wichtigen, dauerhaften Baustein den Grundtest mitgenommen und diesen mit über die Anwendung der universellen Gesetze vereinfachten Akupunktur-Techniken fest zu einem diagnostisch-therapeutischen System verzahnt. Wobei mir Bachblüten, Yoga, Meditation und Atemtherapie zusätzliche, wertvolle Hilfestellung gaben.

Mehr und mehr nahm die Beschreibung prinzipienorientierte Medizin Gestalt an. Und ebenfalls das, was sich für mich unter dem Kürzel `KIS´ verbarg, `keep it simple´ – halte es einfach. Denn über den pysioenergtischen Test hatten wir nun nicht nur die Möglichkeit das energetische Defizit zu finden, sondern er verhalf uns auch dazu, genau den Punkt zu bestimmen, an dem eine Akupunktur-Nadel zu positionieren war, um das Ungleichgewicht auszugleichen. Manchmal war dazu nur eine Nadel nötig. So konnten wir über den Test Diagnose und Therapie kontrollieren und die Anzahl der nötigen Nadeln reduzieren. Ein unschätzbarer Vorteil, denn obwohl die Akpunkturnadeln sehr dünn sind, ist doch jeder Stich durch die Haut eine invasive Therapie.

Doch die wichtigste Botschaft gaben natürlich die Patienten, die sich oft auf für sie wundersame Weise leichter fühlten. Vieles dazu durften wir vor allem in den kleinen Friedewalder Gruppen erforschen und entwickeln.

 Mehr und mehr bürgerte es sich dort ein, Patienten zu behandeln, die zum Personal des Hotels gehörten. Darüber kamen dann auf Empfehlung auch einige von außerhalb. Retrospektiv stellten sie sich immer dann ein, wenn es nötig war einen neuen Schritt zu gehen und seine Effizienz über eine Behandlung zu verifizieren.

 

So sollte noch etwas entdeckt werden, als Krönung allen Forschens und Bestätigung dafür, welche Stimmigkeit eine prinzipienorientierte Medizin haben kann. Ihre Wurzeln hat sie ganz fest in der Einfachheit, weil sie sich an der Mitte, am Zentrum, an der Eins orientiert und somit nur noch ein Fach hat, worin sie alles ablegt.

Paracelsus sprach davon, dass es nur eine Ursache von Krankheit gibt, Ungehorsamkeit gegen das Gesetz. Und für Nepomuk von Ringseis entwickelte sich jede Symptomatik vor dem Hintergrund, dass ein Mensch aus der Einheit gefallen ist, was christlich als Sündenfall beschrieben wird. Zentrale Heilmethoden waren für ihn daher Sakramente, Gebete und rituelle Handlungen. Er war in übrigen Leibarzt des bayerischen Kronprinzen Ludwig.

 

Obwohl über die Theorie bereits wissend, stand ich doch oft staunend vor dem Erlebten und fühlte mich dabei immer tiefer eingebunden in ein System, was mich seit dem Ende der 1980-iger Jahre mit steigender Intensität begleitet hat: Die Bachblütentherapie. Edward Bach überschrieb seinen Patientenzugang nicht nur mit Simplicity - Einfachheit, sondern baute ihn zugleich auf die beiden Pfeiler humility and compassion – Demut und Mitgefühl.

 

Die Entschleierung der letzten Kostbarkeit war zum Jahresende 2012 terminiert. In einem vertiefenden Seminar vom 16.-17.11. mit dem Titel, Körperakupunktur für Zahnärzte, war unsere Reise am zweiten Tag um die Mittagszeit beim letzten Themenviertel angelangt. Bis dahin hatten sich die Teilnehmer ausgiebig prinzipienorientiert untersucht und behandelt. Ihr energetischer Zustand war, soweit wir es untereinander testen konnten, ausgeglichen. Einem Gedanken, den ich schon eine ganze Weile in mir getragen hatte gab ich nun konkrete Ausdrucksform. Nachdem wir über das Prinzip der Entsprechung therapeutische Areale immer kleiner gezogen hatten und darüber dann zu einem `omnipotenten´ Punkt gelangt waren, sagte ich zu den Teilnehmern, dass es natürlich ebenso gut möglich ist, sich ein eigenes Therapieareal zu schaffen.

 Dazu nahm ich ein zwei Euro Stück, legte es auf die Oberseite eines Unterarms und zog eine Linie darum. Dann entfernte ich das Geldstück und übrig blieb ein umschriebener Kreis. Wir positionierten uns nun so davor, als würden wir vor einem Bild stehen und dieses betrachten. Die angenommene Tafel, die wir imaginär auf den Kreis projizierten ist ein Grundsymbol der TCM, die Organuhr.

Hier finden wir den Mittelpunkt, dann den durch Linien unterteilten Zwischenraum und die Peripherie, auf der es über die so entstandenen Sektoren nun Areale gibt, die den Meridianen der chinesischen Medizin zugeordnet sind. Das Ganze ist in ein zeitliches Schema von 24 Stunden eingeordnet. Wenn wir nun über den physioenergetischen Test bestimmen, in welchem Meridian die Energie aktuell nicht richtig fließt müsste es möglich sein, durch Setzen einer Nadel auf der Peripherie des Kreises in dem der entsprechenden Leitbahn zugeordneten Areal, die Blockade zu lösen und die Energie wieder zum fließen zu bringen.

Das sollte dann ein Patient über eine Beschwerdebesserung erleben, was auch, wenn es sich um ein Problem im Bewegungsapparat handelt, objektiv dokumentiert werden könnte. Als unterstützenden Aspekt sollte es dann natürlich auch möglich sein, eine Nadel einfach ins Zentrum des Kreises oder den Mittelpunkt zu setzen.

Soweit die Theorie und die Demonstration in der Teilnehmergruppe. Schade dachte ich nun, dass wir keinen Patienten haben, woran wir das Ganze in die Praxis zu überführen können.

 

Ich ging zum Fenster des Seminarraumes, blickte in die Landschaft und plötzlich kam die Idee: Ruf die Rezeption des Hotels an. Vielleicht möchte sich jemand vom Personal behandeln lassen. So telefonierte ich und am Ende der Leitung sagte ein Herr: „Es ist schon merkwürdig, dass sie gerade jetzt anrufen. Meine Kollegin sitzt hier und kann ihren Kopf nicht mehr bewegen. Morgen früh will sie zum Arzt gehen.“ Ihr Leidensdruck war groß und sie vermutete nichts verlieren zu können. So kam sie zu uns. Ihre manifeste Halswirbelsäulenblockade war so massiv, dass sie nur gerade aus schauen konnte und beim Blick zur Seite immer den ganzen Körper drehen musste, da der Kopf unbeweglich war.

Wir untersuchten sie prinzipienorientiert, stellten dabei die Blockade in den Meridianen fest und fragten dann, ob wir etwas auf ihren Unterarm zeichnen dürften. Sie ließ es geschehen. Dann haben wir die betroffenen Meridiane über zwei Nadeln auf der Peripherie des Kreises behandelt. Der physioenergetische Test bestätigte uns den Ausgleich. Anschließend stand sie auf und konnte den Kopf zu etwa 70% wieder bewegen. Dabei brach sie in Tränen aus und es dauerte fast fünf Minuten, ehe sie wieder ansprechbar war. Wir haben dann noch die Nadel in die Mitte gesetzt und nach ihrem Empfinden hatte sie nun keine Bewegungseinschränkung mehr. Sie bedankte sich und ging wieder zu ihrem Arbeitsplatz.

 

Wir ließen das Erlebte einige Minuten sacken und dann stellte ich die Frage, womit wir uns in der verbleibenden Zeit noch beschäftigen sollten. Es war eine sechsköpfige Gruppe und eine Teilnehmerin sagte: „Ich fahre jetzt nach Hause, was ich gesehen habe bringt mein ganzen Weltbild durcheinander.“ Sie nahm ihre Freundin mit und ich habe beide nie wieder gesehen.

Die Methode haben wir dann Zwei-Euro-Experiment (ZEE) genannt, doch auch die anderen Teilnehmer haben in meiner Wahrnehmung damit im therapeutischen Alltag keine weiteren Erfahrungen gesammelt und diese dann mit mir geteilt. Aus dem Experiment hat sich nun eine Technik entwickelt. So wurde aus dem ZEE die ZET.

Gut neun Monate danach sagte mir die Frau eines Kollegen, in dessen Praxis ich an einem Nachmittag einige Patienten behandeln durfte, nachdem sie der prinzipienorientierten Behandlung beigewohnt hatte: „Sie wissen ja, dass sie mit dem was sie tun ihrer Zeit weit voraus sind.“ Ich hatte sie nie vorher in meinem Leben gesehen.

 

Gut zwei Jahre später schenkte mir die unsichtbare Welt in Friedewald noch einmal eine außergewöhnliche Begegnung zum Thema. Jemand vom Küchenpersonal bat um therapeutischen Rat. Seit fast zwei Jahrzehnten litt er unter Tinnitus. Bisher mit allem behandelt was die Schulmedizin im Angebot hatte, galt er nun als aus-therapiert und war mit der Botschaft entlassen, `damit müsse er nun leben´.

Auch ihn haben wir nach dem gewohnten Schema untersucht, behandelt und zusätzlich eine Bachblüte verordnet. Unser Seminar dauerte drei Tage. Er kam am ersten Tag und sollte sich bis zum Ende noch einmal vorstellen. Das tat er aber nicht. An den nächsten beiden Wochenenden war ich mit anderen Gruppen wieder im Hotel. Doch auch dort hatten wir keine Begegnung mehr. So war mein Empfinden, wir haben ihm wohl nicht helfen können.

Etwa ein halbes Jahr später komme ich an einem frühen Freitagmorgen im Hotel an und die Dame an der Rezeption sagt mir, der Patient habe gefragt, ob er eine Bekannte zu uns schicken dürfe, die das gleiche Problem hätte wie er selbst? Und sie solle mir ausrichten, sein Tinnitus sei unmittelbar nach unserer Behandlung verschwunden.

 

Ich habe ihn dann gebeten in unsere Seminargruppe zu kommen, was er dann auch spontan tat. Ich stellte ihn den Teilnehmern vor, es war eine andere Gruppe die den Patienten nun zum ersten Mal sah und sagte, wir hätten ihm damals eine Bachblüte gegeben und dann über das Ohr akupunktiert. Das hatte ich in der Erinnerung. Das ZEE war nicht im Bewusstsein. Denn es im Grunde seit dem denkwürdigen Erlebnis im November 2012 in den Gruppen keine Rolle mehr.

Nun fiel mir der Patient ins Wort und sagte: „Sie haben keine Nadel ins Ohr gesetzt, sondern etwas auf meinen Unterarm gemalt und dann eine Nadel bei fünf Uhr gestochen.“

Wie habe ich mich darüber gefreut und bei der unsichtbaren Welt bedankt. Es war der letzte Auftritt des ZEE. Mein Empfinden, es passt scheinbar nicht in die moderne Zeit oder die Kollegen können es nicht fassen, haben es zwar gesehen und erlebt, glauben es aber trotzdem nicht, fand, je weiter die Jahre ins Land gingen, mehr und mehr Bestätigung. Und heute, im Juli 2022 sind wir, was den medizinischen `Mainstream´ aber auch die Komplementärmedizin angeht, weiter davon entfernt, als jemals zuvor.

Dennoch bleibt es mein therapeutisches Vermächtnis. Als eine Botschaft an die Medizin von heute oder der Zukunft, sich der Einfachheit zu verpflichten und alles so zu halten: Keep it simple und simplicity. In Verbindung mit Humility and Compassion, Demut und Mitgefühl, steht es auch als stille Mahnung, in all der technisierten Medizin den Menschen nicht zu vergessen, der sich ja seit Urzeiten in seiner Grundstruktur nicht verändert hat, die auf einem Atemmechanismus beruht.

 

Ich möchte zu diesen letzten, an Einfachheit erinnernden Gedanken noch drei Erlebnisse mit Ihnen teilen.

 

Im November 1997 durfte ich meine Akupunktur Vollausbildung in Damp an der Ostsee abschließen. Es waren etwa 50 Teilnehmer, die sich in Vierergruppen aufteilten und jede einzelne wurde von einem Mentor betreut. Da sich vor Ort eine große Reha-Klinik befand, bekam jeder Teilnehmer von dort einen Patienten zugewiesen, den er anamnestisch aufnehmen sollte. Der nächst Schritt war einen Therapieplan zu erstellen, diesen zusammen mit dem Mentor und den anderen Gruppenmitgliedern zu diskutieren und anschließend den Patienten wieder zu entlassen, denn es sollte nicht in die laufende Behandlung der Klinik eingegriffen werden.

Wir hatten uns auf diese Weise bereits drei Patienten gewidmet. Dann kam der Letzte. Er war sichtlich von einem Symptom geplagt, betrat gebeugt den Raum und konnte auf Grund massiver Rückenprobleme nicht aufrecht stehen. Diese Beschwerden waren der Grund für seinen stationären Aufenthalt. Nachdem der vierte Kollege ihn befragt, untersucht und einen Behandlungsvorschlag aufgestellt hatte, bedankte sich der Mentor auch in unserem Namen bei ihm. So sollte sich das Treffen beenden.

Dann aber passierte etwas Unerwartetes. Der Patient sagte: „Ich gehe nicht, sondern erst wenn sie mich behandelt haben. Ich bin schon drei Wochen in der Klinik, doch an meinen Beschwerden hat sich nicht verändert. Nun bin ich bei Spezialisten und stehe nicht eher von meinen Stuhl auf, bis sie etwas getan haben.“

 

Unser Mentor antwortete, dass wir uns absprachegemäß nicht in die Therapie des Krankenhauses einmischen sollten und wiederholte noch einmal seine Aufforderung an den Patienten zu gehen. Dieser ließ sich jedoch nicht beirren und bestand auf einer therapeutischen Intervention. „Gut“, lenkte der Gruppenleiter ein. Er war selber Arzt und zugleich hochrangiger Funktionär der Gesellschaft. „Hat jemand von Ihnen eine Idee“? Die Kollegen ließen den Patienten sich auf die Liege legen, untersuchten seinen Rücken, diskutieren dies und das, aber wie könnten wir kantig sagen, kamen nicht aus dem `Quark´. Ich fühlte mich als Zahnarzt nun nicht primär angesprochen und beobachtete das weitere Szenario. Dennoch stellte ich nach gefühlten 15 Minuten die Frage, warum wir es nicht praktisch mit einer Akupunktur Behandlung versuchen, etwa mit dem Setzen von Nadeln im Ohr.

Unser Ausbildungsziel, daran sei hier erinnert, nannte sich Vollausbildung Ärztliche Akupunktur mit insgesamt 360 Fortbildungsstunden. Daraufhin sagte unser Mentor zu mir: „Können Sie das denn“? So setzte ich also dem gebeugt auf einem Stuhl sitzenden Patienten einige Nadeln in seine Ohren und wir warteten ab. Etwa 10 Minuten später stand er wieder gerade und mit der Botschaft, so gut habe er sich seit dem Klinikaufenthalt und auch lange davor nicht mehr gefühlt, verließ er den Raum. Allerdings bat ihn unser Mentor, doch zwei Tage später in den großen Hörsaal zu kommen, um ihn den übrigen Kollegen vorzustellen. Wie sagte er noch: „Dann können wir den Anderen zeigen, wie gut wir sie behandelt haben.“

 Er kam am Samstag nicht. Ich dachte, vielleicht hat der Behandlungserfolg nicht angehalten und wollte die Begebenheit schon innerlich abschließen, als uns jemand sagte, der Patient habe Besuch von seiner Familie bekommen und würde nun mit seinem kleinen Sohn im Sandkasten spielen. Das ging wohl nur mit einem weitestgehend beschwerdefreien Rücken.

 

Natürlich fühlte ich mich Anfangs in Relation zu den ärztlichen Kollegen oft weniger kompetent. Und manchmal auch so behandelt. Bei der Bundeswehr hieß es über uns Zahnärzte immer, wie hätten ja nur die kleine Approbation. Doch schon damals setzen sich Botschaften in mein Bewusstsein wie, alle kochen nur mit Wasser. Vor allem aber, das zu gegebenen Zeit in der Hand des Arztes der Erfolg liegt. Zu gegebener Zeit, wie es im alttestamentarischen Weisheitsbuch Jesus Sirach heißt. Ist die Zeit gegeben, dann ist die Qualifikation des Arztes zweitrangig. Es heißt in dem Buch weiter: `Mein Sohn, in der Krankheit säume nicht, bete zum Herrn, denn er macht dich gesund. Aber auch dem Arzt gewähre Zutritt, denn auch er betet ja zu Herrn´.

Beten setzte ich immer analog zu einem Leben im Gesetz. Und wenn wir uns freiwillig darunter stellen, kann der heilbringende Moment leichter gegeben werden.

 

Etwa fünf Jahre später, ich schrieb schon darüber, durfte ich in der TCM-Klinik referieren. Es war für mich eine besondere Ehre, allerdings habe ich mich anfangs schon gefragt, welche Kompetenz ich dazu wohl haben könnte, bei all den Spezialisten und hochrangigen Ärzten der Klinik, mit Professor Liao an der Spitze. Die Teilnehmer waren vornehmlich Kollegen aus dem Umland und so relativierten sich meine Bedenken. Es war die Zeit, als ich begann die herkömmlich gelernte Akupunktur-Technik schon in das Vier-Punkte- System zu überführen und kurz nach Seminarbeginn kam eine Frau in einem weißen Kittel in den Hörsaal und setzte sich zu uns.

Als wir uns dann den praktischen Sequenzen näherten stand sie auf und ging heraus. Allerdings kam sie nach kurzer Zeit mit einem Patienten wieder zurück, der sich nur gebeugt fortbewegen konnte. Er setzt sich auf einen Stuhl und die Ärztin sagte, ich möge ihn doch behandeln. Er sei nun schon 14 Tage vor Ort, habe in der Klinik das Probleme mit dem Rücken entwickelt und sie hätten hätte mit ihren Möglichkeiten bereits alles versucht, doch das Problem bis heute nicht lösen können. Das würde dazu führen, dass die eigentliche Ursache für den Aufenthalt des Patienten nur eingeschränkt therapiert werden könne.

Nun spürte ich schon einen gewissen Druck, denn ich hatte eine Technik vorgestellt, sie in höchsten Tönen gelobt, der Einfachheit unterstellt und jetzt sollte die Probe aufs Exempel gemacht werden. Ich setzte ihm also vier Nadeln je Ohr und die Kollegin führte ihn zurück in sein Zimmer, von wo sie ihn eine halbe Stunde später wieder abholen wollte. Die Ärztin kam zurück, doch noch vor der Zeit, öffnete sich die Tür zum Vortragssaal und der Patient kam aufrecht gehend hinein. Wie habe ich mich gefreut und der unsichtbaren Welt gedankt. Die Zeit war für mich gegeben, inmitten eines Mekkas von Spezialisten, denen anscheinend diese Gnade nicht zuteil werden sollte.

 

Beim nächsten Kurs, erlebte ich eine Teilnehmerin die sich bei der Begrüßungsrunde als Ärztin aus der Nähe von Bayreuth vorstellte. Sie hatte früher in der Klinik gearbeitet, kannte wohl die Technik und nutzte sie im praktischen Alltag. Auf meine Frage, warum sie denn dann überhaupt gekommen sei, gab sie zur Antwort: „Ich wollte sie einmal persönlich kennenlernen. Wissen Sie denn nicht, dass mittlerweile hier mit ihrer Methode gearbeitet wird? Immer wenn es nicht weiter geht, setzten wie sie mit Erfolg ein.“

 Dieses wurde mir im Übrigen nicht kommuniziert. Das war im März 2001. Drei Wochen später habe ich dort noch einmal einen Mundakupunktur-Kurs gehalten und dann die Klinik nie wieder betreten. Obwohl wir immer gut 20 Teilnehmer hatten, wurde ich nicht mehr eingeladen.

 

Den Grund für das Ende der Seminartätigkeit konnte ich im Übrigen nie klären. Als mir die Finalität bewusst wurde, waren schon fast zwei Jahre ins Land gegangen. Die unsichtbare Welt hatte mich da bereits in eine andere Richtung geführt. Meinen Bekannten aus dem bayerischen Wald sah ich in den Folgejahren jeweils kurz zur Medizinischen Woche in Baden-Baden am Vortag der GZM-Tagung und darüber hinaus sporadisch bei Kongressen der Netzwerk-Medizin.

Es mag zum Ende des Jahrzehntes gewesen sein, als ich über die folgende, von ihm aufgebaute Analogie dennoch nach langen Jahren eine für mich stimmige und klärende Antwort bekam. Der Sachverhalt lag weit zurück und die verflossene Zeit hatte meine Relevanz für eine Begründung im Grunde schon aufgelöst. „Weißt du“, sagte er mir in einem kurzen persönlichen Gespräch, „ich spiele jetzt Golf. Das ist ein ganz toller Sport. Wenn der Ball nicht dorthin fliegt wo ich es will, nehme ich mir einen neuen.“

 

„Wer immer seiner Zeit voraus ist, kann sicher sein, dass er missverstanden wird. Nur aufrichtig musst du sein und rein. Dann wird aller Widerstand verschwinden“, sagte der indische Weise Vivekananda.

 

Im Juli 2007 schrieb mir ein damaliger Teilnehmer einen Brief. Er war ehemaliger Hochschullehrer in Tübingen und führte eine ärztliche Privatpraxis unweit des Seminarortes: `Sie hatten seinerzeit einen hochinteressanten Vortrag über die Ohrakupunktur an der TCM-Klink gehalten. Die Technik hat sich bis heute in mehreren 100 Fällen als hervorragende Bereicherung meiner praktischen Tätigkeit erwiesen und ich möchte ihnen an dieser Stelle eine dankbare Rückmeldung geben´.

 

Und eine letzte Geschichte möchte ich mit Ihnen teilen, ebenfalls aus Friedewald.

Das Erlebnis mit einer kleinen Seminargruppe, lag irgendwann zwischen 2014 – 2016. Aufbauend auf dem Prinzip der Entsprechung, über dass wir von vielen Akupunktur-Punkten zu immer weniger und schließlich zu dem Einen kamen, reifte in mir das Empfinden, ob es nicht möglich sei, ganz auf Nadeln zu verzichten und lediglich durch Gedanken und Gefühle zu therapieren. Ab und an hatte ich darüber schon mal gesprochen, doch die Resonanz hielt sich stets in Grenzen. Dennoch war irgendwann wohl die Zeit gegeben, es praktisch zu erproben. In der Regel haben sich die Teilnehmer der einzelnen Gruppen zu Beginn jeder Veranstaltung zuerst selbst prinzipienorientiert untersucht und dann nach bewährtem Schema behandelt, um recht schnell in ein Wohl-Fühl-Empfinden zu kommen.

Bei einer Teilnehmerin fanden sich Meridiane in einem energetischen Ungleichgewicht und als die untersuchende Kollegin das System mit Akupunktur-Nadeln ausgleichen wollte unterbrach ich sie mit der Botschaft: `Warte, ich gehe mal aus dem Raum in ein anderes Zimmer und versuche etwas. Wenn ich wieder zurückkomme, teste bitte noch einmal nach´. Es war eine Fünfer Gruppe und nur einen Teilnehmer interessierte scheinbar was ich tun wollte. So verließen wir beide gemeinsam den Raum. Ich suchte mir in einem anderen Zimmer einen Platz. Er setzte sich daneben. Dann schloss ich die Augen, konzentrierte mich auf die Kollegin und stellte sie so zwecklos als möglich ins Licht.

 

Das Vorbild dafür liefert uns die Sonne, die ja einfach nur strahlt, ohne Unterschiede und dennoch auf diese Weise die Begründerin unserer gesamten Kultur ist. Über ihre Wärme und ihr Licht spendet sie Allem Leben. Ich setzte diese Übung für einige Minuten fort und dann gingen wir beide zurück in den Seminarraum.

Die Kollegin testete die Patienten erneut und alle Meridiane waren in einem ausgeglichenen Zustand. Die Gruppenmitglieder nahm das einfach so hin. Keiner fragte, was ich im Nachbarraum getan hätte, selbst der Kollege nicht, der dabei war.

Der physioenergetische Test ist auch hier für die Überprüfung der Therapie ein wunderbares Hilfsmittel. Er zeigt an, ob die Intervention erfolgreich war. Und das ein Patient, bei dem einige Meridiane im Ungleichgewicht sind, sich nach einem Ausgleich wohler und leichter fühlt, dazu brauche ich nach fast einem viertel Jahrhundert Erfahrung keinen Beweis mehr führen.

 

So durfte ich meine Teilnehmer bis zu diesem Punkt führen, doch diese letzte Schwelle war offenkundig zu hoch. So drehten wir unsere Kreise weiter bis in den Herbst 2019. Zu Beginn 2018 lernte ich die liebe Elke kennen und nachdem sie meine Arbeit beobachte sagte sie einige Monate später zu mir. „Du vermittelst den Patienten immer, sie mögen sich nicht im Kreis drehen, sondern um mit Rilke zu sprechen, einen wachsenden Ring leben. In deinen Seminaren machst du es selbst aber nicht.“ Sie hatte recht. Daraufhin habe ich mich von allen Teilnehmern so liebevoll als möglich verabschiedet, zu einer Zeit, wo es noch in einem solchen Rahmen möglich war. Ein halbes Jahr später hätten wir uns Corona-bedingt in Friedewald nicht mehr treffen können. Das war der weitere positive Nebeneffekt.

 

„Leute mit Mut und Charakter sind den anderen Menschen sehr unheimlich.“ (Hermann Hesse)

 

Seitdem stehe ich dem Kern meiner ehemaligen Seminarteilnehmer in Stille zur Seite und ermuntere sie mit liebe- und friedvollen Gedanken ihren eigenen Weg zu beschreiten.

Dabei mögen Ihnen auch meine aktuellen Buchprojekte, Goethes Botschaft an die Medizin von heute, Kosmische Spielregeln und Der Weg, Die Wahrheit, Das Leben, wertvolle Hilfestellung geben.

 

Seit dem Jahr 2002 begleitet die schriftstellerische Tätigkeit all meine Aktivitäten. So sind bis auf den heutigen Tag 11 Werke entstanden. Wenn ich die Vielzahl meiner Veröffentlichungen in Zeitschriften hinzunehme, dann alle Hörbücher und Filmprojekte reflektiere, so stehe ich staunend und voller Dankbarkeit daneben. Ich frage mich oft, wie das alles zu realisieren und in den normalen zahnärztlichen Alltag zu integrieren war?

Diese Gedanken wurden noch einmal ganz präsent, als ich nach der Praxisaufgabe nun begann meine Web Side zu aktualisieren. Dazu habe ich meine Werke katalogisiert, worüber mir der Fundus in all seiner Fülle bewusst geworden ist. Der Katalog ist bei mir zu beziehen. Für mich ist es wunderschön ihn in Händen zu halten. Er ist auch auf der Homepage einsehbar.

 

Ein intensiv gelebtes Leben dokumentiert sich darüber und retrospektiv durfte ich über die Erstellung aller Projekte vor allem selbst wachsen, mich entwickeln und entfalten. Wenn ich mich früher mit den Beschreibungen von Einweihungsriten vieler Traditionen beschäftigt hatte, so wurden häufig Zerstückelungsprozesse beschrieben, ging es oft um Leid. Darum, wie es in Wagners Textbuch zum Parsifal heißt, `Leiden gelitten zu haben´, als Voraussetzung dafür, dass sich etwas lösen kann oder erlöst wird. Nicht nur in der Parsifal Erzählung finden wir diesen Hintergrund. Das bekannteste und wichtigste Geschehen wird uns über das Leiden Jesu berichtet, der nach allem die finale Botschaft gibt: `Ich habe diese Welt überwunden´.

 

Wenn ich Elke heute von meinem therapeutischen Werdegang berichte, ist sie immer wieder tief berührt. Nicht nur von den Verletzungen die mir fast immer nach dem gleichen Muster zugeführt wurden, sondern vor allem davon, wie ich all das ausgehalten habe. Dass Menschen mich offenkundig ausgenutzt und wenn ich für sie scheinbar keinen `Nennwert´ mehr hatte einfach fallen gelassen und ignoriert haben, störte mich wenig. Es hinderte nicht daran, das Schwungrad meiner Tätigkeit unermüdlich und mit hoher Intensität weiter zu treten. So konnten sich kaum Unreinheiten festsetzen. Die Umdrehungszahl ließ scheinbar alles abprallen.

Dennoch sehe ich heute in meinem 66 Lebensjahr, wo die äußere Tätigkeit nach Aufgabe viele Bausteine fast zum Erliegen gekommen ist, symbolisch die vielen Macken und Kerben die im Laufe langer Jahre an meiner Körper, der physischen Grundlage aller Aktivitäten, entstanden sind. Elke hilft mir dabei sie wahrzunehmen und versorgt sie liebevoll. Sie ist sicher das größte Geschenk auf meiner letzten, irdischen Wegstrecke. Die Welt zu überwinden bedeutet in der Sprache meines Lehrers: `Lebe in ihr, aber gehöre nicht dazu´.

 

Im Gegenzug für all das, was mir dieses liebe Wesen an Segnungen zuteil werden lässt, darf ich sie an die Hand nehmen und auch ihr mehr und mehr dieses Empfinden vermitteln.

 

Ich möchte beenden mit Worten von Hermann Hesse:

 „Wer nicht in die Welt zu passen scheint, ist immer nahe daran sich selbst zu finden.“